Erfolgreiche Führung – führt Geduld oder Ungeduld zum Ziel?

Ungeduld – nur nachteilig?

Nennen Sie uns bitte eine Schwäche!“ ist eine oft gehörte Aufforderung in Bewerbungsgesprächen und „Ungeduld“ eine entsprechend typische, aber auch schnell selbstgefällig wirkende Antwort. Der Bewerber versucht hiermit allzu oft, eine vermeintliche Schwäche in eine Stärke umzuwandeln. Die Botschaft: ich bin ambitioniert, zielstrebig und leistungsorientiert.

Doch was sagen Geduld oder Ungeduld wirklich über den späteren Berufserfolg aus? Dies war Thema des RFH-Wissenschaftstalks der Rheinischen Fachhochschule Köln am 20. Juni 2018. Teilnehmer waren unter anderem Studiengangsleiter für Wirtschaftspsychologie Prof. Dr. Christof Obermann und Bestsellerautor Prof. Dr. Matthias Sutter. Sutter vertrat die Auffassung, dass neben Talent und Intelligenz Geduld der entscheidende Erfolgsfaktor ist. Eine gering ausgeprägte Geduld führe zum Beispiel später zu einem geringeren Einkommen.

Referenten des RFH-Wirtschaftstalks zum Thema „Führung und Geduld“ – v.l.n.r.: Johannes Büchs, Prof. Dr. Christof Obermann, Prof. Dr. Matthias Sutter, Kanzler Thore Eggert, Anne von Brockhausen, Präsident Prof. Dr. Martin Wortmann, Philipp Schollmeyer, Prof. Dr. Werner Bruns

Ein Plädoyer für die Ungeduld

Sutters Position wurde zahlreich untersucht und auch Prof. Dr. Obermann führte einige Befunde und Zusammenhänge auf, welche diese Position teilweise bestätigen. Allerdings plädierte Obermann in seinem Vortrag auch für die förderliche Form der Ungeduld. In diesem Kontext führte er zunächst einen der wohl bekanntesten Befunde – das Marshmallow-Experiment von Mischel und Ebbesen (1970) – auf. In dem Experiment erhielten 4-jährige Kindergartenkinder einen Marshmallow. Der Versuchsleiter verließ daraufhin den Raum und versprach den Kindern eine zweite Süßigkeit, sollten sie den Marshmallow nicht essen. Die Befunde zeigten eindeutig: Kinder, die sich geduldig zeigten und den Marshmallow nicht aßen, konnten später eine höhere akademische Leistung vorweisen.

Dieser Effekt wurde in einer aktuellen Studie von Watts et al. (2018) jedoch gemindert. Mit einer Stichprobe von N = 900 zeigte sich, dass das Bildungsniveau der Mutter und das Haushaltseinkommen diesen Effekt beeinflusst. Wurden beide Variablen herausgerechnet, so war der Zusammenhang zwischen Geduld und akademischer Leistung nicht signifikant.

Die Frage, inwiefern Geduld den späteren Führungserfolg beeinflusst, besteht somit also weiterhin. Um sie zu beantworten, ist es notwendig, Geduld zu definieren. Mischel und viele weitere Autoren definierten Geduld als Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, der Duden auch als Ausdauer im ruhigen Ertragen oder Abwarten von etwas. Ungeduld kann demnach im Umkehrschluss verstanden werden als Unfähigkeit, etwas ruhig abzuwarten. Positiv verstanden nähert sich die Ungeduld damit aber auch dem Streben nach etwas, der Ambition. Inwiefern diese Form der Geduld bzw. der Ungeduld die Bildungsabschlüsse beeinflusst, zeigten Judge und Kammeyer-Mueller (2012) in einer Längsschnittstudie. Sie untersuchten das Ambitionslevel von N = 717 Kindern und ihre späteren Bildungsabschlüsse. Dabei zeigten sie auf, dass das Ambitionslevel die Bildungsabschlüsse sowie das spätere Einkommen vorhersagt. Die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub stellte folglich eine positive Eigenschaft dar, das Ambitionsstreben jedoch eine ebenso entscheidende Eigenschaft.

Inwiefern beeinflusst unsere Persönlichkeit unsere Ungeduld?

Um zu verstehen, warum manche Menschen geduldiger sind und andere ungeduldiger, lohnt sich ein Blick auf die „Big 5 der Persönlichkeit“: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Neues, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Dabei kommt es auf die jeweilige Ausprägung dieser fünf angenommenen Persönlichkeitsfaktoren an. So beschreibt Neurotizismus sowohl die Fähigkeit zur Impulskontrolle, als auch das eigene Stressempfinden. Neurotische Personen weisen somit Ungeduld im Sinne geringer Selbstkontrolle auf, was sich negativ auf ihre Leistung auswirkt (Judge & Kammeyer-Mueller, 2012). Die Fähigkeit, Geduld gegenüber der eigenen Person als auch gegenüber den Mitmenschen zu zeigen, wird als Forgiveness bezeichnet und ist eine Teilfacette der Eigenschaft Verträglichkeit. Diese Eigenschaft ist vorteilhaft in sozialen Interaktionen und folglich auch für Führungskräfte von Bedeutung. Diese Zusammenhänge sind jedoch ebenfalls von der Arbeitsumgebung abhängig. Barling und Boswell (1995) konnten aufzeigen, dass gewissenhafte Personen unter Stress eine verringerte Arbeitsleistung zeigen. Grund dafür ist eine verringerte Arbeitsmotivation, welche durch eine nicht gewährleistete Strukturiertheit entsteht.

Fazit

Sowohl für akademischen und beruflichen Erfolg, als auch für Führungserfolg sind Geduld und Ungeduld von Bedeutung. Allerdings ist dabei entscheidend, um welche Form von Geduld oder Ungeduld es sich handelt. So wirken sich geringe Selbstkontrolle oder geringe Geduld gegenüber anderen als negative Formen der Ungeduld nachteilig aus. Dagegen stellt ein hohes Aspirationslevel eine förderliche Form der Ungeduld dar, da es neue Themen vorantreibt und ein höheres Leistungsstreben zur Folge hat. Folglich kann keine pauschale Aussage getroffen werden, Geduld schlage Talent und Intelligenz. Entscheidend sind die individuellen Persönlichkeitseigenschaften sowie die jeweilige Form von Geduld bzw. Ungeduld.

Quellen:

  • Barling, J. & Boswell, R. (2008). Work Performance and the Achievement – Strivings and Impatience – Irritability Dimensions of Type A Behaviour. Applied Psychology, 44, 143-153.
  • Judge, T. A., & Kammeyer-Mueller, J. D. (2012). On the value of aiming high: The causes and consequences of ambition. Journal Of Applied Psychology, 97(4), 758-775.
  • Mischel, W. & Ebbesen, E. B. (1970). Attention in delay of gratification. Journal of Personality and Social Psychology, 16 (2), 329–337.
  • Watts, T. W., Duncan, G. J. & Quan, H. (2018). Revisiting the Marshmallow Test: A Conceptual Replication Investigating Links Between Early Delay of Gratification and Later Outcomes. Education and Human Development, 29(7), 1159-1177.
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