Hohe diagnostische Qualität durch professionelle Rollenspieler

Bei fast allen Assessment- und Development-Center-Verfahren wird der Übungstyp des Rollenspiels eingesetzt. Die deutschlandweite AC-Studie (Obermann & Höft, 2008) zeigt, dass es sich bei Rollenspielen nach Präsentationen um das am zweithäufigsten eingesetzte AC-Element handelt. Die Methode des Rollenspiels geht zurück auf den österreichisch-amerikanischen Arzt und Soziologen Jacob Levy Moreno; er entwickelte mit dem Psychodrama eine Technik die es ermöglicht, das verfügbare Rollenrepertoire von Klienten zu erweitern und neue Verhaltensweisen zu erproben.
Bei dem Einsatz von Rollenspielen im Assessment- oder Development-Center soll eine erfolgskritische Situation der Zielposition simuliert werden. Der Einsatz professioneller Rollenspieler trägt – neben einer sorgfältigen Erstellung der Teilnehmerunterlagen – ganz wesentlich dazu bei, eine hohe diagnostische Qualität der Übungen sicherzustellen.

Vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen (Wunsch nach Einsparung von Reisekosten, Reiseverbote etc.) ist es darüber hinaus möglich, diese Rollenspielsituationen online zu simulieren.

Standardisierte Anforderungssituationen schaffen

Im Hinblick auf die Standardisierung von Gesprächssituationen formuliert der Arbeitskreis Assessment Center e.V. folgende Anforderung an den Einsatz von Rollenspielpartnern: „Werden Rollenspieler eingesetzt, sind klare Rollenspieleranweisungen zu formulieren, die einerseits ein standardisiertes Schwierigkeitsniveau sicherstellen, andererseits ein situationsangemessenes Eingehen auf den Kandidaten ermöglichen. Darüber hinaus werden die Rollenspieler in einer Schulung auf ihren Einsatz vorbereitet.“

Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Standardisierung des Verhaltens dar. Für jeden Teilnehmer muss eine vergleichbare und gleichzeitig herausfordernde Anforderungssituation gestaltet werden. Wichtig ist dabei, dass die Rollspielpartner – im Hinblick auf Plot, Argumentationskette und Charakter – die Verhaltensvorgaben auf standardisierte Art und Weise umsetzen. Im Hinblick auf die zentralen Aussagen und Einwände der Rollenspielerinstruktion bedeutet das, dass diese wortwörtlich wiedergegeben werden. Gleichzeitig müssen die Rollenspieler aber auch hinreichend flexibel auf das jeweilige Verhalten des Teilnehmers eingehen. Insbesondere, wenn mehr als ein Rollenspielpartner eingesetzt wird, muss sichergestellt werden, dass alle regelmäßiges Feedback erhalten, inwieweit es ihnen gelingt, ihre Rolle gleichartig auszugestalten.

Rollenspieler als „Tester“

Durch den Einsatz geschulter Rollenspieler kann des Weiteren sichergestellt werden, dass die definierten Anforderungen auch wirklich beobachtbar sind. Bei einer professionellen Durchführung agiert der Rollenspielpartner als ‚diagnostischer Tester‘ der Teilnehmerleistung. Im Verlauf der Simulation berücksichtigt er parallel, welche Anforderungen bzw. Kompetenzen sichtbar gemacht werden müssen, und provoziert diese gezielt. Beispielsweise greift ein Rollenspieler in einer Gruppenübung ein Teammitglied (ebenfalls Rollenspieler) gemäß Instruktion verbal an. Reagiert der Teilnehmer hierauf nicht, wird der Konflikt stärker angespielt, um zu prüfen, ob und wie der Teilnehmer interveniert. Durch gezieltes Training der Rollenspieler kann daneben sichergestellt werden, dass auch Spitzenteilnehmern eine sehr herausfordernde Gesprächssituation geboten werden kann und in der Folge Leistungsunterschiede differenziert im Bewertungssystem erfasst werden.

Gruppenübungen mit Rollenspielern

Während der Einsatz geschulter Rollenspielpartner bei Dialogsimulationen, wie z. B. dem Führungs- oder Verhandlungsgespräch, bereits jetzt die Regel darstellt, zeigt sich dieser Trend auch bei den Gruppenübungen. Die AC-Studie zeigt, dass schon 37% der befragten Unternehmen Gruppenübungen mit instruierten Rollenspielpartnern einsetzen.
Es wird zunehmend der Tatsache Rechnung getragen, dass die klassische Gruppendiskussion, die mit mehreren Kandidaten durchgeführt wird, nur eine gering ausgeprägte Validität aufweist. Der Grund liegt in der mangelnden Standardisierbarkeit dieser diagnostischen Situation, denn die Gruppendynamik und die Gruppenzusammensetzung verzerren die Bewertung der einzelnen Kandidaten. Dieses Problem ist auch bei sehr sorgfältiger Konzeption und Durchführung nicht vollständig zu lösen. Eine zeitliche Verlaufsanalyse der AC-Studie zeigt, dass der Einsatz von klassischen Gruppendiskussionen daher deutlich rückläufig ist: der Einsatz des Übungstyps reduzierte sich von 2001 bis 2008 um fast 40%.

Durch den Einsatz einer Gruppenübung mit Rollenspielpartner wird in jeder Übung die gleiche Gruppendynamik – mit Konflikten, Unterstützern und Kontrahenten etc. – dargestellt. Aufgabe des Teilnehmers ist es, diesen Gruppenprozess zielorientiert zu steuern. Besonders gut können hier managementrelevante Kompetenzen, wie z. B. die Teamleitung und Ergebnisorientierung bei einem Projektmeeting, auf systematische Weise abgebildet werden.

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