Lernleistungen von AC-Teilnehmern – Neues aus der Neuropsychologie

Vortrag von Prof. Dr. Spitzer auf dem AC-Kongress in Dresden

Bei den Soft-Facts in unserem Bereich sind wir häufig im Bereich der Spekulation. Umso spannender, was die aktuellen Erkenntnisse zu der zugrundeliegenden „Hardware“ sind – unserem Gehirn. Auf dem AC-Kongress im Herbst 2004 dazu der Top-Referent Prof. Dr. Spitzer. Er ist Arzt, Psychologe, Philosoph und erfolgreicher Sachbuchautor. Hier Ausschnitte aus seinem Vortrag.

Neue Erkenntnisse der Neuropsychologie

  • Nachhaltiges Lernen geht nur über regelhafte Erfahrungen
  • Appelle, Einzelfakten oder Ansprache der„Einsicht“ führen nie zu Lernen
  • Das Gehirn ist zum Lernen programmiert, wir sind sowieso motiviert
  • Aufgabe der Lehre ist daher nur die Vermeidung der Demotivation des Menschen
  • Unser Gehirn ist darauf ausgerichtet, ab 20 lernen wir nichts mehr völlig Neues

Persönlichkeitsunterschiede von Individuen werden bald im Gehirn messbar

Der Blick in das „lebende“ Hirn ist überhaupt erst seit wenigen Jahren durch das Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT) möglich. Seit zwei bis drei Jahren können nun sogar Einzelbetrachtungen vorgenommen werden. Dies bedeutet, dass in naher Zukunft sogar Persönlichkeitsunterschiede im Gehirn gemessen werden können. So gibt es je nach Ausprägung auf der Dimension Introversion/Extraversion beim Betrachten von Gesichtern eine unterschiedliche Aktivierung des Mandelkerns im Gehirn. Erste Untersuchungen zeigen sogar Korrelate von Intelligenz in der Gehirnaktivität!

Psychische Empfindungen leuchten im Gehirn auf

Einer der aufsehnerregenden Studien für die Wirtschaftspsychologie kommt aus dem Jahre 2004. In dem Experiment beobachtet ein Proband – der in einer MRT-Röhre beobachtet wird – in den ersten fünf Minuten virtuell über ein Bildschirm und Joystick, wie zwei andere Ball spielen. In der zweiten Phase wird der Proband gefragt, ob er mitspielen will. In einer dritten Phase von fünf Minuten spielen die beiden Anderen dem Probanden den Ball plötzlich nicht mehr zu und wiederholen exakt die erste Spielphase. Verglichen wird bei dem Probanden die erste und dritte Spielphase. Ergebnis: Es „leuchtet“ an der gleichen Stelle im Gehirn wie bei starkem physischem Schmerz. Zurückweisung und ‚ausgegrenzt sein‘ im Job ist also reiner Schmerz – „verlassen werden tut weh“ sagt der Volkmund mit Recht. O-Ton Prof. Spitzer in seinem Vortrag: „Wenn Sie vor einigen Tausend Jahren aus Ihrer Stammes- Gruppe herausgeworfen wurden, waren Sie praktisch tot, keiner mehr, der mit Ihnen jagen oder essen wollte“.

Jegliches Lernen ist Veränderung von Synapsenstärken

Wie funktioniert Lernen nach den neuen Erkenntnissen der Neuroforschung? Keiner hat deutsche Grammatik gepaukt, jeder kennt dennoch Regeln. Prof. Spitzer erklärt, dass sich Lernen an den Synapsen abspielt, an denen die Impulse zwischen den Neuronen übertragen werden. Synapsen verändern sich dauernd gebrauchsabhängig, täglich, stündlich. Prof. Spitzer erklärt, das Gehirn ist dafür aufgebaut, nicht einzelne Ereignisse, zufällige Einzelheiten abzuspeichern, sondern Regeln. Es sind die Regeln, die hinter den Einzelheiten stehen, Zufälle von gestern nutzen für das Überleben von morgen nichts. Prof. Spitzer: „es geht um das Machen und Tun und Erkennen von Regeln, den Rest macht das Gehirn von Alleine“.

Ab 20 Lebensjahren ist es aus mit dem Lernen von gänzlich Neuem

Einwanderer aus China und Korea in New York machen Sprachtest zu ihren Lernleistungen in Abhängigkeit vom Lebensalter. Ergebnis: Ab 20 Jahren wird die Kurve flach. Die Lerngeschwindigkeit sinkt dramatisch. Bei dem Erlernen von gänzlich neuen Kompetenzen ist tatsächlich ab diesem Alter fast Schluss. Prof. Spitzer: „Wir müssen schnell lernen, sonst sind wir tot, das bedeutet Anfangen mit großen Schritten, aber dann vorsichtige Annäherung an den wahren Wert“ Langsames Lernen im hohen Alter ist der Preis dafür, dass wir nicht unsere Erfahrungen bei jedem neuen Ereignis über Bord werfen dürfen.

Jagen im hohen Alter – es gibt noch Hoffnung

Aber es gibt doch eine frohe Botschaft. Die Untersuchung: Jäger in einem Naturvolk in Paraguay. Die Männer gehen mit Pfeil und Bogen zum Jagen. Frage: In welchem Lebensalter ist das beste Jagdergebnis? Antwort: Mitte 40. Einem jüngeren, der von außerhalb wieder zum Naturvolk zurückgehrt ist hat man 2000 Dollar Belohnung versprochen – ohne Verbesserung. Lernen ist in diesem Falle Erfahrungsaufbau, jeden Tag üben, winzig kleine Veränderungen in 20 Jahren. Prof. Spitzer: „Öder 65 jährige Steinzeitrentner steckt den 25-jährigen locker in die Tasche“. Das bedeutet für uns, wenn wir schon zwei Fremdsprachen im romanischen Bereich kennen, dann lernen wir eine weitere viel schneller als kleine Kinder. Bei völlig neuen Kompetenzen haben die Alten (älter als Mitte 20!) keine Chancen.

Vitae:
Prof. Dr. Dr. Spitzer, Spitzenforscher im Neurobereich, Top-Referent beim AC-Kongress

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