AC-Moderator – Qualifizierung und Zertifizierung

Mit der Aufgabe der AC-Moderation steht und fällt die Qualität des Assessment-Centers (AC). Ein nachvollziehbares Anforderungsprofil ist bisher in der Literatur nicht zu finden. Die inhaltliche Ausgestaltung der Rolle des AC-Moderators variiert zwischen den Unternehmen erheblich – ganz entsprechend der jeweiligen programmatischen Konzeption von AC.

Seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 muss die Moderatorenkompetenz zusätzlich im Rahmen vermehrter virtueller Assessment-Center- Durchführungen deutlich werden. Diese Unterscheidungen der AC-Rolle werden anhand von vier Aspekten differenziert.

Vier Unterscheidungskriterien in der Rolle des AC-Moderators

Ein erster Differenzierungsaspekt ist die Frage, ob das AC eine klinisch-qualitative Ergebnisfindung per Diskussion unter den Beobachtern vorsieht, wie z. B. in vielen Development-Centern (DC), oder eine statistisch-formale nach einem vorab festgelegten Entscheidungsalgorithmus, etwa in Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst. Nach der letzten Deutschlandumfrage des Arbeitskreises AC ist die klinisch-qualitative Vorgehensweise (noch?) in der Überzahl. Dieser Dissens zwischen beiden Vorgehensweisen besteht schon, solange es die AC-Methodik gibt. Die Anforderungen an den Moderator sind für die klinisch-qualitative Vorgehensweise viel höher: Neben Moderationserfahrungen im engeren Sinn benötigt die Person für die Moderation von DCs ein tiefes Fachwissen um die Entwickelbarkeit von Kompetenzen bzw. von den zur Verfügung stehenden Instrumenten der Führungskräfteentwicklung. Wenn der AC-Moderator in diesen Kompetenzen „schwächelt“, dann wird die Abstimmung unter den Beobachtern in der Endkonferenz auf Kosten von Genauigkeit und Effizienz gehen.

Rollenprofil: Neutraler oder inhaltlich-agierender Moderator

Eine zweite Unterscheidungsdimension ist die Frage, ob die Organisation den neutralen oder inhaltlich-agierenden Moderator vorsieht.

Teilweise gibt es auch die Moderationsrolle überhaupt nicht, und wird informell zwischen den anwesenden Beobachtern ausgehandelt. Der neutrale Moderator ist wenig dominant und entspricht in innerer Einstellung und Profil dem klassischen Verhaltenstrainer. Von dem inhaltlich agierenden Moderator wird anderes erwartet. Er soll bei vielen Verfahrensdurchläufen den gleichen Beobachtungsstandard auch bei nur ein- oder zweimal im Jahr eingesetzten Beobachtern durchsetzten. Er muss über ein hohes „Standing“ gegenüber den Beobachtern verfügen, und ohne Furcht auf Beobachtungstendenzen hinweisen können. Er muss im Auftreten sowie in der Argumentation auf Augenhöhe mit den Hierarchieträgern sein.

Ein dritter Unterschied betrifft die AC-Organisation. Während bis in die 80er Jahre die Beobachter über Tage ihre Einschätzungen gesammelt und erst in der Endkonferenz abgeglichen haben, sind heute die Mini-Beobachterkonferenzen nach jedem Durchlauf einer AC-Aufgabe verbreitet. Dies führt zu einem ganz anderen Profilanspruch gegenüber dem AC-Moderator. In der klassischen Variante dauert die Endmoderation häufig über Stunden bis hin zu Nachtsitzungen und fordert dem AC-Moderator viel Diplomatie in der Konfliktlösung ab. Dies ist beim Vorgehen mit der Mini-Beobachterkonferenz weniger erforderlich. Hier gibt es andere Anforderungen an den Moderator, wie u. a. ein stringentes Zeitmanagement.

Langsam hat auch die IT den Weg in das AC gefunden. Damit kommt eine weitere, vierte Anforderungsdimension auf den Moderator zu. Wenn das AC nicht mehr papierbasiert ist, dann gilt es, rasch am Laptop die Beobachteraussagen eingeben zu können oder Multitasking zu betreiben – technische Probleme zu lösen und gleichzeitig die Beobachter bei Laune zu halten.

Qualifizierung für die Aufgabe des AC-Moderators

Im Beratungsunternehmen Obermann Consulting wird die Rolle des inhaltlich-agierenden Moderators und die Systematik der Mini-Beobachterkonferenz gelebt. Für diese Variante des AC-Moderators gibt es einen Qualifizierungsprozess aus verschiedenen Bausteinen. Ein erster und wesentlicher Baustein besteht in der Zielsetzung, dass alle AC-Moderatoren, die in späteren Durchläufen ohne jeden Kontakt zueinander verschiedene Beobachtergruppen moderieren, tatsächlich nach dem gleichen Bewertungsmaßstab vorgehen. Die Qualifizierung dazu folgt der Idee des „frame of reference“-Trainings, das seit zehn Jahren das herkömmliche Beobachtertraining ersetzt hat. Hier geht es darum, dass auf einem Video mit AC-Aufgaben zuvor ein „frame of reference“ (Bewertungsbenchmark) erstellt wird. Dies ist eine detailreich abgestimmte Musterbewertung von AC-Experten und dem Auftraggeber. Die im Video dargestellte AC-Aufgabe ist zu Übungszwecken mehrdeutig und enthält Höhen und Tiefen des Kandidaten. Das Trainingsziel besteht darin, die Genauigkeit und Geschwindigkeit in der Beobachtung so zu erhöhen, dass bei keiner der beobachteten AC-Kompetenzen eine Abweichung von mehr als einer halben Standardabweichung zur Musterbewertung entsteht. Dies liefert dann die Voraussetzung, um später den Beobachtern im Sinne von Fairness und Vergleichbarkeit der Urteile zur Hand zu gehen.

Trainingsbaustein Moderation von „schwierigen Beobachtern“

Lediglich bei Beobachtern den Maßstab durchzusetzen, wird meist nicht ausreichen. Die Funktion der Linienbeobachter ist es, die Sichtweise der Führungspraxis einzubringen und zu helfen, die aus dem AC entstandene Sichtweise später im Unternehmen zu kommunizieren. Dieser Spagat zwischen Akzeptanz bei den Beobachtern und Umsetzung der verabredeten Kalibrierung ist eine Herausforderung für den AC-Moderator. Im internen Training für die AC-Moderatoren werden dazu Interventionsmöglichkeiten vermittelt und deren Anwendung geübt. Dazu gibt es simulierte Moderationen mit „schwierigen“ Beobachtern (z. B. Beobachter wollen Systemdiskussion führen; offensichtliche Halo-Effekte (Überstrahlungseffekte einer Kompetenz) von Beobachtern; extreme Abweichungen). Gleichzeitig gilt es, entsprechend der jeweiligen Vorgaben Protokoll zu führen, die Zeitvorgabe einzuhalten und auch für eine gute atmosphärische Qualität zu sorgen.

Projekt Deutsche Telekom AC für AC-Moderatoren

Die Ausgangssituation der Deutschen Telekom Training war, dass diese über langjährig erfahrene Verhaltenstrainer und HR-Experten verfügt. Aus dieser Gruppe heraus sollte geprüft werden, wer die Grundvoraussetzungen für das Profil eines AC-Moderators besitzt. Dazu wurde ein Assessment-Center für AC-Moderatoren von Obermann Consulting organisiert. Die einzelnen Verfahrensbausteine für die Trainer und HR-Experten bestanden aus den Situationen, die auf den AC-Moderator zukommen: Moderation einer Mini-Beobachterkonferenz mit zwei Beobachtern, die sich untereinander nicht einig waren, Rollenspieler-Tätigkeit, Feedbackgespräch mit einem „kritischen“ Teilnehmer, Verfassen und Korrektur eines Ergebnisberichts. Für die Teilnehmer bestand insofern kein „Druck“, als dass die Trainer bei positiver Zertifizierung die Möglichkeit erhielten, zusätzlich zu der Trainertätigkeit auch bei einzelnen AC-Verfahren mitzuwirken. Für die Teilnehmer mit positivem Ergebnis schloss sich ein weiters Fach- und Verhaltenstraining an.

Interne Zertifizierung bei Obermann Consulting für AC-Moderatoren

Das Moderatorenteam von Obermann Consulting besteht aus festen sowie festen-freien Mitarbeitern, die jeweils einen akademischen Abschluss als Wirtschaftspsychologe und zusätzlich die Prüfung nach der Diagnostik-Norm 33430 absolviert haben. Diese Aspekte decken den Wissensbereich ab, nicht jedoch die Anforderungen auf der Verhaltensseite. Dazu wurde 2010 ein interner Zertifizierungsprozess aufgesetzt. Abschnitte der Zertifizierung sind „Kalibrierung“, „Mini-Beobachterkonferenz“, „Protokollierung“, „Erstellen Management-Summaries“, „Feedbackgespräch“ und „Moderation Beobachterkonferenz“. Bei der Zertifizierung kommt es wie im AC selbst zu dem Punkt, ob ein Berater die Qualifikationsanforderungen erfüllt und als Moderator eingesetzt werden kann.

Im beispielhaft dargestellten Abschnitt „Erstellen einer Management-Summary“ geht es um die Leistung der AC-Moderatoren, die verschiedenen Eindrücke aus den AC-Aufgaben für die Beobachterkonferenz qualitativ im Format von vier Stärken / vier Entwicklungsfeldern zusammenzufassen. Dies ist die Grundlage für die Diskussion der Beobachterkonferenz und die Entscheidungsfindung, z. B. zu einer Potenzialaussage. In den ACs der 80er Jahre wurden in den Beobachterkonferenzen während stundenlanger Diskussion häufig bis in die Nacht um Formulierungen gerungen. Heute erhalten die Beobachter als Entscheidungsgrundlage eine vorbereitete Ergebnismatrix in Zahlen und eben die „Management-Summaries“ als Vorlage für eine qualitative Zusammenfassung. Neben der Standardisierung im Vorgehen ermöglichst diese Einsparung von Beobachter-Ressourcen, bei gleicher AC-Länge mehr AC-Aufgaben einzusetzen.

Unter „heißen“ Bedingungen Simulation eines AC-Ablaufs

In der raschen und gleichzeitig präzisen Erstellung dieser „Management-Summaries“ unter Zeitdruck besteht selbst für langjährig erfahrene AC-Moderatoren eine große Herausforderung. Die Zertifizierung besteht darin, dass innerhalb von 15 Minuten aus schlecht vorbereitetem Ausgangsmaterial, gemäß einer Checkliste, eine fehlerfreie Management-Summary zu erstellen ist. Dabei sind z. B. inkonsistente Ergebnisse zwischen AC-Aufgaben inhaltlich zu integrieren. In das Ausgangsmaterial sind „Fehler“ eingebaut, z. B. sind die in der Ergebnismatrix schwächer ausgeprägten Dimensionen nicht durch entsprechenden Text belegt. Die Erfahrung mit Training und Zertifizierungsprozess hat gezeigt, dass die Qualität der AC-Moderation speziell dann gesteigert werden kann, wenn mehrere AC-Moderatoren parallel arbeiten oder ein Verfahren über Monate / Jahre läuft.

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