Einfluss des „negativity bias“ auf die Beobachter im AC
Eine interessante Untersuchung zum Halo-Effekt hat eine deutsche Forschergruppe um U.P. Kanning & K. Klinge (2005) jüngst publiziert. Dabei wurden 138 Probanden in einem simulierten und auf Video aufgezeichneten AC eingeschätzt. Es gab drei Gruppen. Gruppe 1 erhielt negative Vorinformationen über die Teilnehmer (Lebenslauf, Persönlichkeitsfragebogen), Gruppe 2 erhielt keinerlei Informationen und Gruppe 3 positive Informationen.
Positive Vorinformationen wirken nur minimal
Ergebnis: Erhielten die Beobachter negative Informationen über die Teamfähigkeit und Einsatzbereitschaft des Kandidaten, so bewerteten sie auch seine AC-Leitung auf diesen Dimensionen signifikant schlechter. Erschien der Kandidat auf Grund der Vorinformationen in einem positiven Licht, so ergab sich eine minimal bessere Bewertung (im Vergleich zur Neutralbedingung), laut Kanning & Klinge allerdings ein vernachlässigbar kleiner Unterschied. Diesen Effekte nennen die Autoren „negativity bias“.
Das Kriterium Auftreten wurde durch die Vorinformationen nicht manipuliert, dennoch zeigten sich in der Bewertung dieses Kriteriums signifikante Unterschiede: Beobachter, die mit negativen Vorinformationen ausgestattet wurden, bewerteten den AC-Kandidaten sogar auf solchen Dimensionen signifikant schlechter, die sich überhaupt nicht aus der Manipulation des Lebenslaufs und des Persönlichkeitsprofils erschließen lassen. Im Vergleich wurde ein und dasselbe Verhalten des Bewerbers sehr viel positiver bewertet, wenn der Beobachter keine oder positive Vorinformationen hatte. Dieser Effekt wird in der Psychologie und AC-Sprache als Halo-Effekt bezeichnet.
Implikationen für die Praxis
Die Autoren der Studie empfehlen, dass die Beobachter mit keinerlei Vorinformationen über die AC-Teilnehmer ausgestattet werden sollen. Weitere Empfehlung: Verschiedene Beobachtergruppen sollten die Kandidaten im AC testen, so dass sich dieser Effekt – auch trotz externer Begleitung – durch die Zusammensetzung der Beobachterteams zumindest verringert.
Quelle: Kanning, Uwe Peter & Klinge, Katharina. (2005). Wenn zu viel Wissen in der Personalauswahl zum Problem wird. Wie Vorinformationen über Bewerber die Bewertung im AC verzerren können. Personalführung, 38, S. 64-67.
Gewinner im AC sind die Individualisten
Eine interessante Untersuchung – von der forschenden AC-Community allerdings relativ wenig zur Kenntnis genommen – stammt aus dem Jahre 2003. R. Jerusalem untersuchte in seiner Dissertation Einstellungen und Werthaltungen von Bewerbern in einem AC bei einem Versicherungsunternehmen. Tendenziell ergab sich folgendes Ergebnis: Über alle AC-Übungen hinweg schnitten individualistische Teilnehmer am besten ab: Je klarer und konsistenter das Eigeninteresse verfolgt wurde, desto größer war der Erfolg im AC.
Quelle: Jerusalem, René (2003). Soziale Faktoren im Kontext eines Assessment Centers. Eine Untersuchung zum Konzept der sozialen Orientierungen. Dissertation an der Uni Bielefeld.
Geringe Trainings- und Übungseffekte im AC
Grete P. Amaral beleuchtet in ihrer Dissertation aus theoretischer Perspektive Aspekte des Aufbaus, der Durchführung und der Validität von AC`s, die einen Einfluss auf Trainings- und Übungseffekte haben können. Es wurde eine leistungssteigernde Wirkung für folgende Aspekte angenommen: AC-Vorerfahrung, Vorbereitung auf das AC, zuvor absolvierte PE-Maßnahmen und Teilnahme an IQ-Testverfahren und Bewerbungsinterviews. Hierzu wurden insgesamt 12 Studien an Stichproben von 1200 AC-Teilnehmern (hauptsächlich Führungsnachwuchskräfte) durchgeführt. Beispielsweise wurde in einer Studie experimentell der Einfluss eines Feedbacktrainings auf die Leistung im Rollenspiel überprüft.
Ein zentrales Ergebnis der Arbeit war, dass AC-Verfahren relativ geringen Übungs- und Trainingseffekten unterliegen. Allerdings übt die Autorin auch herbe Kritik an der geringen Retest-Reliabilität im AC, die im Vergleich zu Trainings- und Übungseffekten ungleich höher zu gewichten sei.
Quelle: Amaral, Grete P. (2003). Übungs- und Trainingseffekte in Assessment-Centern. Berlin: dissertation.de
Die Validität des AC`s: Unterschiede zwischen den Kriterien „Job Performance“ und „Promotion“
Dave Bartram stellt – in Anlehnung an zwei große Metaanalysen von Hunter & Hunter (1984) und Gaugler et al. (1987) – heraus, dass bei der Ermittlung der prädiktiven Validität unterschieden werden muss zwischen den korrelativen Zusammenhängen zwischen AC-Ergebniswert und Beförderung und AC-Ergebniswert und Leistung im Ist-Job. So ist die prädiktive Validität deutlich höher bei AC`s , wo Beförderung als Kriterium gemessen wurde (korrigiertes r = .53) im Vergleich zu AC-Wert und Leistung im Ist-Job (korrigiertes r = . 36). Über beide Kriterien hinweg ergibt sich die viel zitierte prädiktive Korrelation von .37 für Assessment Center.
Quellen:
Dave Bartram (2004). Assessment in Organisations. International Association for Applied Psychology, 53, 82), pp. 237-259.
Hunter, J.E. & Hunter, R.F. (1984). Validity and utility of alternative predictors of job performance. Psychological Bulletin, 96, pp. 72-98.
Gaugler, B.B., Rosenthal, D.B., Thornton III, G.C. & Bentson, C. (1987). Meta-analysis of Assessment Center validity. Journal of Applied Psychology, 72, pp. 493-511.