Die Salzgitter AG hat in verschiedenen Konzerngesellschaften eine Expertenlaufbahn eingeführt. Auf diese Weise drückt sich die Wertigkeit für einzelne Schlüsselkräfte nicht mehr nur in der Anzahl der unterstellten Mitarbeiter aus. Seit 2005 führt der Konzern für diese Zielgruppe spezielle Development-Center durch – parallel zu den weiterlaufenden DCs für Führungskräfte. Über Hintergründe und Erfahrungen dazu berichtet Fr. Beatrice Tag, die hierfür Verantwortliche im Konzernbereich Führungskräfte.
AC Newsletter: Im Salzgitter Konzern gibt es in verschiedenen Gesellschaften eine Expertenlaufbahn; was sind hierfür typische Funktionen?
Fr. Tag: Grundsätzlich besteht die Idee darin, Mitarbeiter mit anspruchsvollen Sachaufgaben so einzuordnen. Z. B. sind dies Experten für die Werkstoffentwicklung, anspruchsvolle Spitzenkräfte im Bereich IT oder auch Experten für Bilanzen.
AC Newsletter: Experte oder Fachkraft ist zunächst ein schöner Titel, aber was bedeutet dieser real für den/die betreffende/n MitarbeiterIn?
Fr. Tag: Wir haben wie in anderen Konzernen ein strukturiertes Vergütungssystem, so dass in Abhängigkeit von den jeweiligen Kriterien die Position von der Vergütung her gleich gewichtet werden kann wie ein Führungsjob. Sie kann also den gleichen Punktwert haben, und damit drückt sich schon einmal im Status eine gewisse Gleichwertigkeit aus. Die konkreten Positionsbezeichnungen vermitteln dies auch, z. B. „Leiter Kompetenzeinheit“ oder „Projektleiter“.
AC Newsletter: Wie ist das mit der hierachischen Einordnung der Experten?
Fr. Tag: Teilweise berichten die Experten nicht an den direkten Vorgesetzten, sondern eine hierachische Ebene höher an den nächsten Vorgesetzten. Experten führen mitunter auch kleine Gruppen von bis zu vier Mitarbeitern. Man darf nicht vergessen, dass auch ohne „eigene“ Mitarbeiter die betreffenden Personen erhebliche Verantwortung haben. Denken Sie an die Leiter von Neubauprojekten in unserem Stahlwerk mit teilweise erheblicher finanzieller Verantwortung.
AC Newsletter: Welche weiteren Merkmale beinhaltet Ihre Expertenlaufbahn noch?
Fr. Tag: Unternehmerisches Ziel ist ja eine verbesserte Mitarbeiterbindung bei solchen Kräften, die zwar keine Führungsaufgabe haben oder vielleicht auch kein solches Potenzial besitzen, jedoch für uns genauso wichtig wie Führungskräfte sind. Daher wollen wir sie neben der Vergütung auch ähnlich behandeln wie Führungskräfte. Dazu gehört, dass sie mit dem gleichen Aufwand und ähnlichen Instrumenten in die Fördersystematik integriert sind. Wir führen z. B. eine systematische Nachfolgeplanung für Führungskräfte wie für die Experten durch.
AC Newsletter: Wie sieht diese Fördersystematik für Experten aus?
Fr. Tag: Wir haben Anfang dieses Jahres ein umfangreiches Expertenkolleg aufgesetzt, das von der Struktur her parallel zu dem entsprechenden Führungskolleg ist. Es läuft über 1,5 Jahre und besteht u. a. aus vier dreitägigen Trainingsbausteinen sowie Praxistagen. Bausteine sind u. a. Kundenorientierung, Führung der eigenen Person, Steuerung von Gruppen und Projektmanagement. Dieses Kolleg kommt hervorragend an, weil nun auch erstmals die wichtigen Fachkräfte eine systematische Förderung erhalten. Nebenbei trägt es dazu bei, dass sich eine gemeinsame Kultur des aus verschiedenen Historien neu entstandenen Konzerns entwickeln kann. Das erste Element für das Förderprogramm besteht in einem 2,5-tägigen Development-Center. Sie können die Wertigkeit dieser Veranstaltung auch daran ablesen, dass sich unser Personalvorstand Zeit nimmt, und die Teilnehmer persönlich begrüßt.
AC Newsletter: Bei vielen ACs wird der Fehler gemacht, dass die relativ schlechteren Kandidaten die Empfehlung als Fachexperte bekommen. Die Motivationswirkung verpufft schnell, wenn die betreffenden MitarbeiterInnen mitbekommen, dass dies nur ein Etikettenschwindel ist. Wie verhindern Sie dies?
Fr. Tag: Dieser Gedanke kommt bei uns gar nicht erst auf, weil wir von vorneherein zwei verschiedene Programme aufgesetzt haben, für Führungskräfte einerseits und Experten andererseits. Struktur, Länge und Wertigkeit sind damit vergleichbar. Wir nehmen also nicht ein Verfahren und sortieren die MitarbeiterInnen in zwei Körbchen. Auch ist etwa im Unterschied zu VW die Durchlässigkeit der Laufbahnen sichergestellt. Zeigt sich entgegen der vorherigen Erfahrungen im DC und dem anschließenden Programm für Experten, dass eine bestimmte Person doch klare Führungsqualitäten besitzt, dann wird dies auch aufgegriffen.
AC Newsletter: Welche Zielsetzung hat das DC für Experten?
Fr. Tag: Wie im „normalen“ DC dient es zur Bestandsaufnahme von überfachlichen Kompetenzen. Eine realistische Selbsteinschätzung ist die Basis für das anschließende Förderprogramm. Auch stellen wir damit gegenüber den betreffenden Experten eine Transparenz zu unseren Anforderungen her.
AC Newsletter: Was sind die Unterschiede zum DC für Führungskräfte?
Fr. Tag: Ausgangspunkt war zunächst unser Kompetenzmodell. Da kamen wir schnell zu dem Schluss, dass für Experten ähnliche Kompetenzen relevant sind, z. B. Kommunikation oder Konfliktfähigkeit. Die Unterschiede im DC sind dann jedoch die Situationen, also Übungsbausteine, in denen sich diese ähnlichen Kompetenzen vermitteln. Dann geht es eben nicht um Mitarbeitergespräche, sondern z. B. um Steuerung von Projektgruppen, interne Verhandlungen oder Präsentationen vor Entscheidungsträgern, die nicht dem eigenen
Fachbereich angehören. Experten sollen insbesondere daran gemessen werden, wie sie kunden- und ergebnisorientiert mit Fachthemen herüberkommen können. Dazu erhalten sie im DC intensives Feedback.
AC-Newsletter: Fr. Tag, vielen Dank für dieses Gespräch.