DC für Führungs-, Projekt- und Expertenlaufbahn bei E.ON Energie

Das Interview findet mit Lucia Ramminger statt. Frau Ramminger ist Lead Manager Diagnostics and Career Development im Bereich strategische Personalentwicklung bei E.ON Energie. Das Interview wird seitens Obermann Consulting durchgeführt.

AC-Newsletter: Welche Verfahren setzen Sie zur Identifizierung von Potenzialen bei den verschiedenen Tochtergesellschaften ein?

Frau Ramminger: Wir setzen bei E.ON Energie in Abhängigkeit von der jeweiligen Zielrichtung oder Ausgangsfragestellung verschiedene Verfahren zur Standortbestimmung ein. Dazu gehören beispielsweise der „PM Quick Check“, ein Excel-basiertes Instrument zur Selbsteinschätzung der Projektmanagement Kompetenzen oder ein Online-360°-Feedbackverfahren auf Basis des E.ON-Kompetenzmodells. Zur Standortbestimmung und Potenzialeinschätzung unserer Nachwuchskräfte setzen wir ein Gruppenverfahren ein, das wir Orientierungsworkshop (OWS)“ nennen.
Der OWS bietet den Teilnehmern den Rahmen für eine persönliche Stärken- und Lernfeldanalyse sowie für eine erste Orientierung im Hinblick auf ihr Potenzial für die drei E.ON-Laufbahnen (Führung, Experte, Projektleiter) – spätere Wechsel nicht ausgeschlossen. Grundlage für die Potenzialeinschätzung im OWS sind das E.ON-Kompetenzmodell und die konzerneinheitlichen Potenzialstufen.

AC-Newsletter: Welche Karrierepfade bzw. Laufbahnen gibt es bei E.ON?

Frau Ramminger: Neben der klassischen Führungslaufbahn hat sich bei E.ON Energie sehr früh auch eine Expertenlaufbahn etabliert (2004). Als Wissensführer spielen die Experten seither eine bedeutende Rolle in unserem Unternehmen. In 2010 wurde dann aus strategischen Gründen und vor dem Hintergrund eines entsprechenden Bedarfs an spezialisierten Projektleitern eine dritte Laufbahn eingeführt: die Projektleiterlaufbahn. Alle drei Laufbahnen stehen absehbar E.ON-weit einheitlich zur Verfügung und bieten den Mitarbeitern interessante Optionen für ihre individuelle Entwicklung.

AC-Newsletter: Wo findet das erste Mal offiziell eine Standortbestimmung für die Mitarbeiter statt, bzw. wann wird das erste Mal die „Konzernbrille“ bei der Potenzialeinschätzung auf die Mitarbeiter gerichtet?

Frau Ramminger: Das ist bei unserem Orientierungsworkshop (OWS). Der OWS ist 2,5-tägiges Verfahren für je 9 Teilnehmer aus verschiedenen Tochtergesellschaften. Wir haben den OWS im Jahr 2005 eingeführt und seitdem mehrfach überarbeitet, um eine durchgehend hohe Qualität zu gewährleisten. Die Anzahl der OWS-Termine pro Jahr ist seit der Einführung von 6 auf 20 Termine jährlich gestiegen. Dabei richtet sich die Anzahl der Verfahren nach der Nachfrage in den Tochtergesellschaften. Die OWS-Teilnehmer haben in der Regel 3-5 Jahre Berufserfahrung. Über die Teilnahme am OWS entscheidet der Vorgesetzte im Rahmen der jährlichen Potenzialeinschätzung. Zur Standortbestimmung für den einzelnen Teilnehmer werden im OWS zentrale Stärken und Entwicklungsfelder ermittelt. Der Impuls zur Reflexion des weiteren Karrierepfades wird unter anderem dadurch gegeben, dass die verschiedenen Übungen im OWS auf die Laufbahnen zugeschnitten sind. Im Gegensatz zu Verfahren, die eigenständig von den Tochtergesellschaften durchgeführt werden, werden die OWS Ergebnisse von der zentralen Personalentwicklung systematisch erfasst und ausgewertet.

AC-Newsletter: Warum ist es aus der Perspektive der E.ON Energie sinnvoll, den Gesellschaften ein zentrales Verfahren zur Verfügung zu stellen?

Frau Ramminger: Der Nutzen liegt unter anderem darin, die Vorgesetzteneinschätzung durch eine unabhängige Meinung zu unterfüttern. Potenziale werden im OWS durch das „Mehr-Augen-Prinzip“ verifiziert – oder auch nicht. Ein weiterer Vorteil des OWS liegt darin, dass über die Teilnehmer aus den verschiedenen Tochtergesellschaften hinweg ein einheitlicher Bewertungsmaßstab einsetzt wird, der die Konzernanforderungen abbildet. Sichten und Verifizieren von Potenzial zahlt sich aus unserer Perspektive langfristig aus.

AC-Newsletter: Welche weiteren Vorteile haben die verschiedenen Beteiligten durch den Orientierungsworkshop?

Frau Ramminger: Wenn wir die Perspektive der Teilnehmer betrachten, dann erhalten diese im Rahmen des OWS neben einem unabhängigen Feedback zu ihren Stärken und Entwicklungsfeldern eine erste Orientierung bezüglich ihres Potenzials für die Laufbahnen. In manchen Fällen wird Teilnehmern Potenzial für die Führungs- und für die Projektleiterlaufbahn zurückgemeldet. Darin sehen wir aber keinen Widerspruch, da es Überlappungen in den Kompetenzanforderungen dieser beiden Laufbahnen gibt. Während des Verfahrens erhalten die Teilnehmer von den Beobachtern nach jeder Übung ein Zwischenfeedback. Darüber hinaus haben die Teilnehmer während des Verfahrens zudem die Möglichkeit, ihre Performance in einzelnen Übungen mit der der anderen Teilnehmer, z. B. in Form von gemeinsamen Videoauswertungen, zu vergleichen und sich neutral zu messen. Einen ausführlichen Ergebnisbericht erhalten die Teilnehmer im Nachgang zu ihrer OWS Teilnahme.
Besonders positiv erleben die Teilnehmer zudem die Möglichkeit des Netzwerkens mit anderen Teilnehmern sowie Beobachtern verschiedener Tochtergesellschaften. Letztere werden so ausgewählt, dass idealerweise immer ein Vertreter je Laufbahn anwesend ist und Rede und Antwort steht.
Auch die Beobachter nehmen wertvolle Impulse für ihre eigene Führungsrolle mit, wenn sie sich zweieinhalb Tage aktiv mit dem E.ON Kompetenzmodell, mit den Themen Beobachten und Bewerten, mit Potenzialeinschätzung und dem Adressieren von Feedback auseinandersetzen.
Der Vorgesetzte, der seinen Mitarbeiter für die Teilnahme am OWS empfohlen hat, zieht seinerseits einen Nutzen aus dem Abgleich der durch ihn vorgenommenen Potenzialeinschätzung seines Mitarbeiters mit dem ausführlichen Ergebnisbericht.

AC-Newsletter: Was sind aus Ihrer Sicht weitere Erfolgsfaktoren?

Frau Ramminger: Wir setzen gezielt auf einen Methodenmix, um die größtmögliche Aussagekraft der OWS Ergebnisse zu gewährleisten. Das Konzept ist so aufgebaut, dass die Anforderungen jeder Laufbahn durch zwei laufbahnspezifische Übungen und zusätzliche Fragen im Interview abgebildet werden. Damit haben wir im Prinzip drei laufbahnspezifische Entwicklungsverfahren in ein Verfahren integriert. Wichtig ist für uns die Mischung aus Dialog- und Gruppensituationen, Fallstudien, Interviews, Fragebögen und Testverfahren. Zusätzlich dazu finden der Lebenslauf der Teilnehmer sowie die Bildungshistorie Berücksichtigung.

AC-Newsletter: Aus welchen Gründen arbeiten Sie bei diesem PE-Instrument mit Obermann Consulting zusammen?

Frau Ramminger: Wichtig ist für uns in erster Linie die diagnostische Kompetenz, da die Ergebnisse des OWS in unsere zukünftige Personal- und Nachfolgeplanung mit einfließen. Obermann Consulting ist in der Lage, branchen- und unternehmensspezifische Übungen zu entwickeln, die in ihrer diagnostischen Aussage gut funktionieren. Daneben schätzen wir an Obermann Consulting die Beweglichkeit, sich auf den Kundenwunsch einzustellen. Obermann Consulting unterstützt uns zudem aktiv dabei, das Produkt OWS durch einen systematischen Feedbackprozess kontinuierlich weiterzuentwickeln. Positiv wird uns von den Beobachtern auch immer wieder die „Menschlichkeit“ und „Nahbarkeit“ der Berater zurückgemeldet. Das mündliche Feedback sowie die Formulierungen in den Ergebnisberichten sind verständlich und auch für Dritte, die nicht am Verfahren beteiligt waren, gut nachvollziehbar.

AC-Newsletter: Welche Ergebnisse resultieren aus dem Orientierungsworkshop und wie werden diese über die Potenzialaussage hinaus genutzt?

Frau Ramminger: Spätestens 4 Wochen nach dem OWS erhalten die Teilnehmer einen ausführlichen Ergebnisbericht, der die Basis für ein Entwicklungsgespräch gemeinsam mit dem Vorgesetzten und einem Vertreter der Personalentwicklung bietet. Hieraus können konkrete Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet und nächste Schritte vereinbart werden. So werden die Einschätzungen aus dem OWS mit dem Alltag und der Praxis verknüpft. Der Ergebnisbericht ist eine wichtige Zusatzinformation, um den Teilnehmer auf seinem weiteren Karriereweg sinnvoll zu unterstützen.
Die zentrale Auswertung der OWS Ergebnisse dient beispielsweise der Ableitung von Lern- und Entwicklungsbedarfen im Unternehmen, und stellt somit eine Quelle im Rahmen der jährlichen Bildungsbedarfserhebung dar.

AC-Newsletter: Welche Empfehlungen haben Sie für andere Unternehmen, die ein Entwicklungsverfahren mit Potenzialaussagen für unterschiedliche Laufbahnen durchführen wollen?

Frau Ramminger: Aus meiner Erfahrung heraus ist es wichtig, dass die Übungsinhalte aktuelle Businessthemen reflektieren. Die Übungen sollten die unternehmensspezifischen Herausforderungen abbilden und dabei den unterschiedlichen Kenntnisstand der verschiedenen Job-families, wie z. B. Ingenieure oder Personaler, berücksichtigen. Die Nähe zum Business erhöht die Akzeptanz sowohl auf Teilnehmer- als auch auf Beobachterseite.

Kurzportrait: E.ON Energie mit Sitz in München führt die regionale Einheit Deutschland. Von dort wird das operative Geschäft in den Bereichen Netz, Vertrieb und Service gesteuert. Die Kernaufgaben dieser Einheit sind die Verteilung und der Vertrieb von Strom und Erdgas sowie die dezentrale Erzeugung in Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein wichtiger Partner globaler Geschäftseinheiten (Global Units), für die sie viele lokale Unterstützungsfunktionen wie das Finanz- oder Personalmanagement wahrnimmt. E.ON Energie und ihre Tochtergesellschaften beschäftigen insgesamt rund 30.700 Mitarbeiter und bilden rund 2.150 Auszubildende zu qualifizierten Fachkräften aus.

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