Geschichte des ACs in Deutschland Interview mit einem der AC-Pioniere: Hans-Werner Schulz

AC-Newsletter: Wann kamen Sie eigentlich das erste Mal in Kontakt mit dem Thema AC?

H. Schulz: Wenn man so will, habe ich das erste Assessment Center 1943 bei der Luftwaffe gemacht. Das war in Breslau. Das dauerte eine Woche, das war ein Auswahlverfahren. Da wurde körperlich alles getestet. Da gab es Gespräche und Tests. Z. B. wurde das Tempo beim Bordfunken gecheckt.

AC-Newsletter: Haben Sie bestanden?

H. Schulz: Die haben damals jedem eine Empfehlung gegeben. Ich sollte Nachtjagdpilot werden, weil ich so gute Augen hatte. Das wusste ich bis dahin gar nicht.

AC-Newsletter: Sie haben in den 60er Jahren Pionierarbeit bei der Kaufhof geleistet. Welche Situation fanden Sie damals vor?

H. Schulz: Die Auswahl der Führungsleute ging so: Da marschierten ein Vorstandsmitglied und der Personalleiter durch die Filialen in der Republik. Ohne Voranmeldung kamen sie zu dem Geschäftsführer: „Stellen Sie uns der Reihe nach Ihre fünf besten Abteilungsleiter vor“. Dann wurden ganz unterschiedliche Gespräche über Fachdinge geführt. Nach so einer Reise kamen die mit 30 neuen Namen an. „Wenn wir die auswählen, sind die gut, wir haben die meiste Kenntnis“.

AC-Newsletter: Ich nehme an, damit waren Sie nicht einverstanden?

H. Schulz: Ich musste dann mit denen leben. Das waren häufig reine Zufälle, da ist einer gut aufgetreten und schon wurde er benannt. Ich habe unseren Vorstandsvorsitzenden damals überzeugt, dass wir das anders machen müssen. Die Auswahl muss durch ein Gremium laufen, da sollen alle Ressorts teilnehmen.

AC-Newsletter: Da sind Sie dann viel systematischer vorgegangen?

H. Schulz: Ja, wir haben uns erstmals Anforderungskriterien ausgedacht. Uns interessierte z. B. das Erscheinungsbild, die Vitalität und das Überzeugungsvermögen.

AC-Newsletter: Damals hieß das ja noch nicht AC, was waren denn die Bestandteile dieses Verfahrens?

H. Schulz: Wir haben die Leute für einige Tage zu unserem Institut nach Neckargemünd geholt und dort mit ihnen gearbeitet. Die Teilnehmer haben schriftliche Fälle bekommen. Da mussten Gruppen zu zweit oder dritt bestimmte Aufgaben lösen. Z. B. „Sie haben xy Mitarbeiter zur Verfügung, machen Sie doch mal eine bestimmte Einsatzplanung für die Öffnungszeiten des Geschäfts“. Das hat dann jeder schriftlich abgegeben. Da kamen dann sehr unterschiedliche Ergebnisse heraus. Das Schriftliche dominierte. Im zunehmenden Maße wurden die Stellungnahmen aus dem Stand heraus gefordert. Dann gab es etwas Neues. Die Teilnehmer sollten sich die Lösungen anschauen und untereinander diskutieren und zum gemeinsamen Ergebnis kommen. Das wurde dann beobachtet.

AC-Newsletter: Wann kam der Begriff AC dazu?

H. Schulz: Den Begriff AC hatten wir zu dem Zeitpunkt gar nicht. Aber die großen Firmen arbeiteten Ende der 60er alle an dem gleichen Problem. Das Verständnis zu Mitarbeiterführung kam auf und die Frage, wie können wir Auswahlverfahren entwickeln.
Wir haben dann darüber gelesen, was die Amerikaner gemacht haben. Die haben das von der Luftwaffe übernommen. Die Amerikaner kamen mit verschiedenen Firmen nach Deutschland. Das waren Firmen wie IBM. Wenn wir Bewerber oder Leute von denen trafen, haben wir die interviewt. Wir haben gefragt: Ist das bei Euch in Gruppen gelaufen, hat man Euch hinterher die Ergebnisse gesagt?

AC-Newsletter: Was waren die Unterschiede zu der amerikanischen Methode?

H. Schulz: Die haben bestimmte Verfahren eingesetzt, die wir in dieser Form noch nicht kannten. Bei denen gab es z. B. es mehrere, trainierte Beobachter. Bei denen waren auch Psychologen bei den Übungen dabei. Das haben wir später dann auch gemacht. Wir haben festgestellt, dass die Amerikaner bewusster und konsequenter vorgegangen sind.

AC-Newsletter: 1977 wurde ja dann der Arbeitskreis AC e.V. von Ihnen mitgegründet, wie kam es dazu?

H. Schulz: Da hatten wir schon zwei oder drei Jahre locker zusammengearbeitet. Es gab Kontakte zu Karstadt, Agfa, Bayer, Gothaer. Wir haben uns immer wieder gegenseitig angerufen. Das ging nach dem Motto: Ich muss die richtigen Leute in kurzer Zeit einstellen, mit welchem Auswahlverfahren muss ich das denn machen. Ich hatte ja schon früh, in den 60er Jahren, damit angefangen.

AC-Newsletter: Wie ging es dann weiter?

H. Schulz: Wir entwickelten neue Übungen, so kam der Postkorb auf. Mitte der 70er Jahre. Anfang der 80er Jahre ging es nicht mehr um die Auswahl, sondern um die weitere Entwicklung. Wenn es darum ging, einen Geschäftsführer zum Direktor zu machen. Also Potentialanalysen. Ein AC war damals eine Selbstverständlichkeit. Als wir die 80er Jahre erreicht hatten, gab es auf allen Ebenen volle Akzeptanz. Wir sind auch in der Auswahl über die Jahre viel strenger geworden.

AC-Newsletter: Was ist Ihre Empfehlung für die jüngeren Kollegen, wie haben Sie es geschafft?

H. Schulz: Ich habe es immer geschafft, Vorstände als Beobachter zu bekommen. Nur einer hat über Jahre immer vermieden, dann habe ich es doch geschafft. Dann kam er vom AC zurück: „Sie hätten das viel früher mit mir machen müssen. Ich habe festgestellt, ich habe z. T. die falschen Direktoren ausgewählt, all die Jahre.“ Dann habe ich die Namen bzw. Fälle aufgeführt und er hat nur genickt.

AC-Newsletter: Die Einbindung der Entscheidungsträger ist also ein Erfolgskriterium, gibt es weitere?

H. Schulz: Der einzelne Beobachter geht ja mit unterschiedlichen Erfahrungen da rein. Darum hatten wir immer Psychologen dabei, die das vom Beurteilungsmaßstab koordiniert haben. Und wir haben immer Fallbeispiele aus der Praxis genommen.

AC-Newsletter: H. Schulz, vielen Dank für das Gespräch

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