Das Obermann SAIL-Modell als Leitmodell für kritisches Feedback

Feedback ist vielleicht das wichtigste Instrument zur Mitarbeiterbindung und -entwicklung. Wir finden, es ist an der Zeit dafür, ein psychologisch fundiertes Modell weitergeben zu können.

Anderen positives und wertschätzendes Feedback zu geben, sollte uns leicht von den Lippen gehen und im besten Fall sogar Freude bereiten. Auf den ersten Blick erscheint es wie eine Win-win-Situation des positiven Energieaustauschs. Dennoch verhalten wir uns diesbezüglich häufig kontraintuitiv zurückhaltend. Positives Feedback zu geben, gelingt Menschen trotz dieser offensichtlich positiven Effekte eher selten (Zenger & Folkman, 2014). Das könnte mit einer grundsätzlichen „Feedback-Faulheit“ zu tun haben, etwa weil es uns anstrengt, diese Energie aufzubringen, oder weil wir es für überflüssig halten, denselben Mitarbeiter kontinuierlich zu bestärken.

Zwei entscheidende Ebenen ohne Selbstwert

Kritisches Feedback lässt sich vom Grundgedanken her als ein Soll-Ist-Vergleich verstehen, den wir in Anlehnung an die „Feedback Interventions Theorie“ (Kluger & Denisi, 1996) auf 3 Reflektionsebenen gestalten können: Selbstwert, Verhalten und Ergebnisse. Das ist das SAIL-Modell, das wir in unseren Trainings zur Feedbackkompetenz verwenden.

Auf der ersten Ebene „Selbstwert“ haben wir durch den Vergleich „so bist Du – so solltest Du sein!“ mit einem der sensibelsten zwischenmenschlichen Kommunikationsherausforderungen zu tun, die es überhaupt gibt. Die Reaktanz des Gegenübers folgt auf dem Fuß! Menschen, die man mit einem solchen Vergleich konfrontiert, beenden augenblicklich, quasi reflexartig, jegliche Bereitschaft, weiterhin zuzuhören. Es geht aber noch weiter darüber hinaus.

Stattdessen sollte konstruktives Feedback auf die Ebenen Verhalten und Ergebnisse abzielen. Soll-ist-Vergleiche würden entsprechend so ausfallen: „Das hast Du getan – das hättest Du tun sollen!“ und „Das hast Du erreicht – das hättest Du erreichen sollen!“. Diese Ebenen erlauben uns, Feedback verhaltens- und ergebnisbezogen zu formulieren und dabei Angriffe auf den Selbstwert zu vermeiden. Um kritisches Feedback systematisch zu planen und verhaltens- bzw. ergebnisorientiert zu gestalten, umfasst unser SAIL Modell die entscheidenden Leitfragen auf vier Säulen.

„Situation“ soll simpel und direkt durch die nüchterne Darstellung der Ausgangssituation „wann, wo, wer?“ zum Einleiten dienen. Unter „Action“ lässt sich das beobachtete Verhalten beschreiben: Was habe ich wann genau gehört oder gesehen? Hier wird meistens der Fehler gemacht, dass nicht konkretes Verhalten oder Zitate angesprochen werden, sondern Vermutungen und Ungenaues („Das Projekt war nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe“). Hier gibt es einen klare Prüfregel: Kann meinem Feedback unter „Action“ potentiell nie widersprochen werden, weil es unwiderlegbare Zitate / Beweise sind?

Zu „Impact“ zählen die offenkundigen Konsequenzen des Verhaltens auf mich und welche meiner oder der Firmenbedürfnisse durch das Veralten verletzt wurden: „Das hat mich geärgert, weil es mir persönlich wichtig, besonders kundenorientiert zu denken“. Hier kommt die gute Ich-Botschaft wieder zum Leben.

„Learning“ zielt darauf ab, alternative Verhaltensweisen vorzuschlagen, oder diese gemeinsam mit dem Feedbacknehmer zu entwickeln. Hier gibt es den Unterschied zwischen einer Bitte / Vorschlag und einer Forderung, die meist zu Reaktanz und Ablehnung führt. Eine Bitte / ein Vorschlag ist daran erkennbar, dass sie der Feedbacknehmer auch ablehnen darf und man dann eben nach einem neuen „Learning“ gemeinsam sucht.

Monolog? Dialog!

Strukturiert man ein Feedbackgespräch nach den Regeln des SAIL Modells, bleibt bis zu diesem Punkt ein wichtiger Aspekt unbeachtet. Bisher redet nämlich ausschließlich der Feedback-Geber. Dadurch wird einer Vielzahl kommunikativer Unwegbarkeiten und unerwünschten Missverständnissen ein Nährboden geschaffen. Eine beidseitige Möglichkeit, die Situation darzustellen, begünstigt nicht nur die Beseitigung von perspektivbedingten Unklarheiten, sondern stellt unter Berücksichtigung prozeduraler Fairness eine Notwendigkeit dar. Die Handlungsempfehlung ist an dieser Stelle klar: Lassen Sie den Feedback Empfänger seine Sicht auf die Situation einbringen. Stellen Sie aktiv die Frage nach der anderen Perspektive.

Schon auf das Beziehungskonto eingezahlt?

Die Bereitschaft, kritisches Feedback zu erhalten, ist stärker von der wahrgenommenen Beziehungsqualität abhängig, als von den kommunikativen Fertigkeiten des Feedbackgebers (Zenger & Folkman, 2014). Der psychologischen Sicherheit und dem Vertrauen in der Beziehung wird in etwa dreimal so viel Bereitschaft entgegengebracht, kritisches Feedback zu bekommen, als der gelungenen Gesprächsführungstechnik: Wer in der Vergangenheit immer wieder auf das Beziehungskonto positiv eingezahlt hat, der kann es sich auch leisten, mal Feedback zu geben.

Wer das nicht getan hat, der hat es schwer, dass nicht die – kritische – Beziehungsaussage in erster Linie gehört wird. Daher wäre die Aufgabe, viele positive Beziehungsangebote auszusprechen. Viele sagen uns den Trainings, dass Statements wie „Sie sind ein besonders guter Mitarbeiter“ nicht authentisch sind, wenn eigentlich eine Schlechtleistung vorliegt. Ohne positive Beziehungsaussage wird jedoch nichts ankommen. Z. B. könnte man sagen: „Ich bin nicht gegen Sie! Ich möchte gemeinsam mit Ihnen zur Zielerreichung beitragen und Sie dabei aktiv unterstützen!“.

Weitere Info zum Thema „Feedback“: Unter welchen Bedingungen wirkt Feedback?

Quellen:

  • Kluger, A. N., & DeNisi, A. (1996). The effects of feedback intervention on performance: A historical review, a meta-analysis and a preliminary feedback intervention theory. Psychological Bulletin, 119, 254-284.
  • Zenger, J., & Folkman, J. (2014). Your employees want the negative feedback you hate to give. Harvard Business Review.
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