Das Heinz-Dilemma – Integrität von Bewerbern im Interview ermitteln

Im Bereich der Wirtschaftskriminalität sind die Zahlen laut einer KPMG-Studie von 2007 eindeutig: 91 % der Wirtschaftskriminellen sind laut dieser Studie Wiederholungstäter, wobei jeder dritte Täter sogar mehr als 50 Mal schädlich für das Unternehmen handelt. Und das über einen langen Zeitraum: In 76 % der Fälle erstrecken sich die Taten über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten, in 33 % der Fälle sogar über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren. Diese Zahlen demonstrieren, dass in diesem Merkmal eine hohe zeitliche Stabilität vorliegt.

Die Herausforderung besteht allerdings darin, dieses zeitlich stabile Merkmal bei Bewerbern zu erkennen. Alle möglichen Ansätze haben Nachteile: Bei Referenzen und Arbeitszeugnissen wollen sich  Ex-Arbeitgeber nicht selbst schädigen und Rechtsstreitigkeiten verhindern. Fragebogeninventare sind häufig durchschaubar und werden daher meist sozial erwünscht beantwortet.

Die Einbindung von Dilemmata ins Interview

Um diese soziale Erwünschtheit auszuschließen, verfolgt ein neuer Ansatz die Richtung, dem Kandidaten ein Dilemma zu präsentieren und dieses mit ihm zu diskutieren.

Abbildung 1: Das Heinz-Dilemma

Als Dilemma bezeichnet der Duden eine „Zwangslage/Situation, in der sich jemand befindet, besonders wenn er zwischen zwei in gleicher Weise schwierigen oder unangenehmen Dingen wählen soll oder muss“. Lawrence Kohlberg verwendet Dilemmata im Moral Judgement Interview, indem er moralische Fragen zu unterschiedlichen Bereichen stellt und bewertet, wie die Person für die eigene Entscheidung argumentiert. Ein Beispiel für solch eine Situation ist das Heinz-Dilemma (s. Abb. 1). Nach Präsentation dieses Dilemmas wird der Kandidat nach seiner Meinung gefragt, ob Heinz das Medikament stehlen sollte. Je nach Antwort des Kandidaten werden verschiedene Nachfragen gestellt, die von konkreten Fragen (z. B. „Bedeutet es einen Unterschied, ob Heinz seine Frau liebt oder nicht?“, „Was wäre wenn die Person nicht die Ehefrau von Heinz wäre?“) hin zu immer abstrakteren Fragen („Ist es wichtig, dass Menschen alles versuchen, was sie können, um das Leben eines anderen zu retten?“, „Sollten Menschen im Allgemeinen alles versuchen, um dem Gesetz Folge zu leisten?“) formuliert sind, um die generelle Einstellung des Kandidaten hinterfragen zu können.

Ebenso gibt es speziell auf den Berufskontext zugeschnittene Dilemmata, die sich ebenfalls für die Verwendung im Interview eigenen, z. B.: „Sie haben in einer wichtigen Sache eine falsche Entscheidung getroffen, die das Unternehmen Geld kosten wird. Sie befürchten, dass Ihr Vorgesetzter sehr verärgert sein wird, wenn er davon erfährt. Was tun Sie?“. So wird das Dilemma in den Berufsalltag transferiert und dadurch für den Teilnehmer realistischer gemacht. Hierbei wird die moralische Einstellung des Kandidaten dahingehend erfasst und bewertet, wie dieser mit der Situation umgeht. Eine Erfassung der Integrität ist also prinzipiell möglich, jedoch immer mit dem Risiko sozial erwünschter Antworten behaftet und sollte stets überlegt eingesetzt werden.

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