Grundlagen psychologischer Eignungsdiagnostik

Die Konzeption von Tests, Interviews oder Assessments beruht auf der klassischen Testtheorie (KTT).

Abb. X=Testwert, E=Fehler und T=wahrem Wert der klassischen Testtheorie

Der Schwerpunkt des Modells der KTT liegt auf der Genauigkeit einer Messung bzw. auf der Größe des jeweiligen Messfehlers. Jede Einschätzung eines Bewerbers enthält – wie jede Antwort in einem Test oder Interview – immer Fehler und Unsicherheiten, z. B. Missverständnisse beim Kandidaten, Tagesschwankungen, Stress-Empfinden oder Beobachtertendenzen. Die KTT versucht zu klären, wie, ausgehend von einem Testwert einer Person, die Höhe dieses Messfehlers zu berechnen. Dazu gibt es sogenannte Axiome.

Das erste Axiom der KTT besagt, dass sich jeder Testwert (X) additiv zusammensetzt aus einem wahren Merkmalsanteil (T = true), einer stabilen psychologischen Eigenschaft, und einem zufälligen Messfehleranteil (E = error):

X = T + E. Der Anteil von T und E an der Messung X kann unterschiedlich hoch sein.

Beobachtbar im Interview, Test oder Assessment sind lediglich die Testwerte (X), z. B. die Dominanz im Auftreten in einer Gruppendiskussion. Der wahre Merkmalsanteil und der Messfehleranteil können jedoch nicht direkt beobachtet werden, sondern werden indirekt ermittelt. Dies geschieht dadurch z. B., dass das gleiche Interview oder der gleiche Test mehrfach mit den gleichen Bewerbern durchgeführt wird. Die Größenordnung, in der sich dann Testergebnisse unterscheiden, zeigt die Höhe des Messfehlers an.

Sicherheit in der Personalauswahl durch viele Messwiederholungen

Das zweite Axiom der KTT bezieht sich auf die Eigenschaften des Messfehlers E. Das Axiom besagt, dass der Messfehler mal positiv, mal negativ ausfällt, also der Bewerber sich mal günstiger oder ungünstiger darstellt. Die Summe aller Fehler bei sehr vielen Messwiederholungen Null beträgt.

Beispielhaft kommt in einem Fall eine Person bei einem Test oder AC „besser weg“ als es ihrem wahren Wert entspricht, weil die Beobachter etwa sehr milde waren oder schwierige Fragen ausblieben, dann ist der Messfehler E > 0. In einer anderen Situation ist jedoch der Kandidat nervös oder missversteht die Aufgabenstellung. Dann ist die Bewertung schwächer als der wahre Wert (E < 0). Bei vielen, letztlich unendlich vielen Messungen werden sich diese Fehleranteile zu Null aufheben.
Aus dem zweiten Axiom folgt, dass die Summe der Fehlerwerte einer Person bei unendlich häufiger Messwiederholung unter identischen Bedingungen Null ergeben muss, ebenso wie die Summe der Fehlerwerte bei einmaliger Messung an unendlich vielen Personen.
Mehr Interviews und mehrere parallele Interviewer helfen
Wenn bei vielen, in der Theorie unendlichen Messungen der Fehleranteil E der Gleichung X = T + E mit Null anzunehmen ist, so folgt daraus:

Dies besagt, dass der Messfehler verschwindet, wenn entweder ein Test an vielen Individuen angewandt wird oder ein Test mehrfach bei ein und derselben Person angewandt wird.
Dies hat für die Eignungsdiagnostik eine bedeutende praktische Konsequenz: Wenn ein Merkmal im AC innerhalb einer AC-Aufgabe oder durch verschiedene AC-Aufgaben mehrfach beobachtet wird, sinkt der Messfehleranteil immer weiter, wogegen die Genauigkeit der durchschnittlichen Bewertung immer weiter steigt. Zwei Interviewfragen zur gleichen Kompetenz beinhalten weniger Fehler als nur eine, drei Fragen weniger als nur zwei. Zwei Interviewer sind besser als einer. Mehr AC-Aufgaben zur Einschätzung ein- und derselben Kompetenz sind besser als nur wenige. Mit jeder weiteren Messwiederholung sinkt der Fehleranteil in der Beurteilung.

Mehr zum Thema unter:
– Assessment

– Einzel-Assessment

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