Männer können besser einparken – Frauen besser kommunizieren?

In den Köpfen vieler Menschen geistert ein Weltbild herum aus der Zeit, in der wir noch Bisons gejagt haben. Die Männer haben in Horden umhergejagt, sind dadurch aggressiver, motorisch überlegener geworden und können deswegenen heutzutage besser einparken. Die Frauen haben hingegen in der Gruppe die Höhle warmgehalten und dadurch ihre kommunikativen Fähigkeiten besser entwickelt. Hört sich eingängig an? Aus der Zeit gibt es jedoch keine Zeugen mehr ..

Frauen sprechen mehr? Kommt drauf an!

In einem Experiment der Northeastern University in Boston wurden 79 Studenten über 12 Stunden in einer angeblichen Projektarbeit beobachtet und die Wortbeiträge ausgezählt. Und tatsächlich: Es zeigte sich, dass Frauen nur bei der Projektarbeit wesentlich mehr redeten und häufiger Hilfe bei anderen suchten als Männer. In einer weiteren Studie wurden Männer und Frauen in einer informellen Situation – in der Mittagspause – beobachtet: Hier waren Frauen (im Durchschnitt) kaum gesprächiger als ihre männlichen Kollegen. Welches Geschlecht am mitteilungsbedürftigsten ist, hängt vom sozialen Kontext ab.

Frauen auch überlegen in verbalen Fähigkeiten?

Gerne sprechen ist die eine Sache– die verbale Fähigkeit und Intelligenz eine andere. Wissenschaftlich werden psychologische Unterschiede in Effektstärken, in sogenannten d-Werten, ausgedrückt. Diese geben Auskunft über die Größe eines statistischen Unterschieds zwischen zwei Gruppen. Eine Effektstärke von 0,2 wird als klein, von 0,5 als mittelgroß und von 0,8 als größer bezeichnet. Da es sich hierbei um Vergleiche auf Basis von Mittelwerten handelt, sind selbst bei einer Effektstärke von 0,75 in einem Kriterium noch 71% der Einzelwerte von Männern und Frauen überlappend. Die erste Tabelle (Abb. 1) zeigt, dass die Alltagspsychologie bei den verbalen Fähigkeiten falsch liegt. In keinem Subaspekt verbaler Fähigkeiten liegen Frauen wirklich substantiell höher als Männer – dies bei sehr großen Zahlen von US-amerikanischen Studienbewerbern. Allerdings ist Legasthenie bei Jungen fünfmal häufiger, auch Stottern ist häufig ein Problem der männlichen Seite.

Räumliche Fähigkeiten – wie ist das mit dem Einparken?

Die größten kognitiven Geschlechtsunterschiede zwischen Mann und Frau finden sich tatsächlich in den räumlichen Fähigkeiten. Hier gibt es je nach Aufgabe verschiedene Subaspekte: räumliche Wahrnehmung, mentale Rotation und räumliche Visualisierung. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern lediglich in einem Subaspekt substantiell, nämlich der mentalen Rotation. Dies sind die klassischen Aufgaben, bei denen im Kopf die Würfel gedreht werden müssen, um zu entscheiden, welche zusammengehören. Dies ist für bestimmte Berufe durchaus wichtig (z. B. Piloten und Architekten). Hier beträgt der d-Wert 0,94, was doch sehr groß ist (Asendorpf, 2008). Bezogen auf die Populärliteratur könnte man sagen, dass sich Männer im Kopf besser vorstellen können, wie ihr Auto in die Parklücke kommt.

Genie und Wahnsinn in mathematischen Fähigkeiten bei Männern

Die Alltagspsychologie sagt, dass Männer in der Mathematik besser sind. Schließlich finden sich nur wenige Frauen unter Ingenieuren oder in Mathe-Leistungskursen. Die zweite Tabelle zeigt, dass auch mit diesem Vorurteil aufgeräumt werden muss. Männer sind nicht wirklich substantiell überlegen. Allerdings ist die statistische Verteilung bei Männern breiter als bei Frauen, also eine Überrepräsentation der Männer in den Extrembereichen, mehr Genie und gleichzeitig Wahnsinn. Die Datenbasis sind wiederum Studienbewerber in den USA.

Quellen:
Zeibig, D. (2004). Reden Frauen wirklich mehr als Männer? Das kommt auf die Situation an, antworten Forscher. In: www.spektrum.de/news/reden-frauen-wirklich-mehr-als-maenner/1301137
Abb. 1: Hyde, J. S., & Linn, M. C. (1988). Gender differences in verbal ability: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 104, 53-69.
Abb. 2: Hyde, J. S., Fennema, E., & Lamon, S. (1990). Gender differences in mathematics performance: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 107, 139-155.
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