Aktuelle Studie zu Geschlechtsunterschieden im Assessment Center
Britische Studie: Geschlechtunterschiede auf Dimensionsebene
Eine Untersuchung von Bewerbern/innen der britischen Armee hatte als Ziel, Geschlechterunterschiede auf Dimensionsebene zu untersuchen. Hintergrund dafür ist, dass sich die durchaus vorhandenen Unterschiede auf Dimensionsebene „herausmitteln“ könnten, wenn man nur das Gesamtergebnis betrachtet.
Im Rahmen der Studie wurden 1857 Bewerber/innen untersucht, 1594 waren männlich (85,8%) und 263 (14,2%) waren weiblich. Diese Kandidaten/innen nahmen an einem 3,5-tägigen Assessment Center teil und bewarben sich damit für ein 2-jähriges Trainingsprogramm zum Offizier in der Britischen Armee. Das Alter der Kandidaten/-innen variierte von 18 bis 31 Jahren und mehr als 80% studierten an einer Universität oder hatten bereits einen entsprechenden Abschluss.
Wie unterscheidet sich der Führungsstil bei Frauen und Männern?
Zur Formulierung zweier Hypothesen wurden in der Studie die aktuellen Forschungsergebnisse zu Geschlechterunterschieden im Führungsstil herangezogen: Insgesamt sind Männer und Frauen als Führungskraft gleich effektiv, wobei Männer und Frauen auf unterschiedliche Art und Weise führen: Männer führen eher aufgabenorientiert und Frauen eher beziehungsorientiert. Eine andere Metaanalyse (Eagly, Johannesen-Schmidt & Van Engen, 2003) ergab, dass männliche Manager höher motiviert waren, in einem von Konkurrenz geprägten Umfeld zu arbeiten, häufiger durchsetzungsfähig auftraten, ihre Ziele anderen aufdrängten und eine Außenseiterrolle inne hatten.
Hypothesen und untersuchte Dimensionen der aktuellen Studie
Aufgrund aktueller Forschungsergebnisse zu Geschlechterunterschieden im Führungsstil wurden zwei Hypothesen formuliert: 1.: Männer erzielen ein höheres/besseres Ergebnis bei aufgabenorientierten Führungsdimensionen wie Einfluss und Wirkung oder Problemlösen und 2.: Frauen erzielen ein höheres/besseres Ergebnis bei beziehungsorientierten Führungsdimensionen wie mündliche Kommunikation oder Interaktion.
Folgende Dimensionen wurden durch sechs Einzel- und Gruppenübungen untersucht, wobei jede Dimension drei- bis sechsmal gemessen wurde:
- Mündliche Kommunikation
- Interaktion
- Problemlösen
- Einfluss und Wirkung
- Antrieb und Entschlusskraft
- Stressresistenz
Ergebnis: Frauen erzielen höhere Werte in „Mündlicher Kommunikation“ und „Interaktion“ – Männer sind bei keiner Dimension signifikant besser.
Das Ergebnis der Studie besagt, dass sich signifikante Unterschiede zwischen den AC-Resultaten von Männern und Frauen auf den Dimensionen „Mündliche Kommunikation“, „Interaktion“ und „Antrieb und Entschlusskraft“ ergeben, wobei in allen drei Dimensionen Frauen einen höheren Wert im Vergleich zu Männern erzielen. Der Unterschied auf der Dimension „Antrieb und Entschlusskraft“ ist dabei am geringsten. Dieses Ergebnis entspricht der oben genannten Vorannahme. Entgegen der Vorannahme erzielen Männer jedoch auf keiner Dimension signifikant bessere Werte. Das Hauptresultat dieser Studie lautet somit: Frauen schneiden im Assessment Center auf den Dimensionen „Mündliche Kommunikation“ und „Interaktion“ signifikant besser ab. Damit haben Frauen eine weitere Runde im Geschlechterkampf gewonnen …
Quelle: Anderson, N., Lievens, F., van Dam, K. & Born, M. (2006). A Construct-Driven Investigation of Gender Differences in a Leadership-Role Assessment Center. Journal of Applied Psychology, Vol. 91, No. 3, p. 555-566.