Performance Improvement Tool Box, Nr. 2

David Merrills ‘First Principles of Instruction’ – Handlungsempfehlungen zur Ausgestaltung von Trainings

In Newsletter 31 haben wir den in Deutschland noch wenig bekannten Performance-Improvement-Ansatz vorgestellt. Dieser Ansatz liefert ein integriertes Programm zur Gestaltung von Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen.* Seine Vertreter haben ein großes Repertoire an Modellen, Tools und Techniken geschaffen. In loser Folge stellen wir einige dieser Modelle, Tools und Techniken näher vor. Der hier beschriebene Ansatz – Merrills ‚First Principles of Instruction‘ – liefert wichtige Handlungsempfehlungen zur Ausgestaltung von Trainings.

Der US-Amerikaner M. David Merrill, geboren 1937, gehört zu den großen Vertretern der so genannten Instruktionspsychologie. Diese beschäftigt sich mit der Gestaltung von Lernumgebungen; sie fragt nach der Wirksamkeit unterschiedlicher Trainingsdesigns. Die ‚First Principles of Instruction‘ (Merrill, 2002, 2007, 2013) sind das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit den sehr zahlreich publizierten Leitmodellen zur Gestaltung von Lernumgebungen. Merrill hat diese Leitmodelle und die dort postulierten Erfolgsfaktoren gesichtet und den gemeinsamen Nenner dieser Ansätze in fünf Prinzipien – gewissermaßen einem Metamodell – zusammengefasst. Diese fünf ‚ersten Prinzipien‘, gelegentlich auch als 5-Star-Instructional-Design bezeichnet, bilden den Kern effektiver Trainingsdesigns (Abbildung 1):

 

1. Prinzip – Problem-Zentrierung: Das Training sollte sich an den realen Herausforderungen des (beruflichen) Alltags seiner Teilnehmer orientieren. Es sollte ihnen zeigen, wie es gelingt, ein konkretes und zugleich für die Teilnehmer bedeutsames Problem zu lösen. Besonders hilfreich ist es, zu Beginn des Trainings mehrere, leicht unterschiedliche Varianten des Problems zu erörtern, die sich allesamt mithilfe der zu erwerbenden Kenntnisse und Fertigkeiten bewältigen lassen.

Handlungsempfehlung: Vermitteln Sie Kenntnisse und Fertigkeiten niemals abstrakt, sondern immer im Kontext eines konkreten Problems oder einer konkreten Serie von Problemen!

Während das erste Prinzip den allgemeinen Rahmen vorgibt, beschreiben die nachfolgend dargestellten Prinzipien zugleich ein Phasenmodell effektiver Trainingsgestaltung: 1. Aktivierung ⇒ 2. Demonstration ⇒ 3. Anwendung ⇒ 4. Integration.

2. Prinzip – Aktivierung: Im ersten Schritt des Trainings sollte das problemrelevante Vorwissen der Teilnehmer aktiviert werden. Denn Kenntnisse und Fertigkeiten werden umso besser erworben, wie es gelingt, das neue Wissen mit bereits gespeichertem Wissen zu verknüpfen. Es bedarf also einer Sequenz, in der bisheriges Wissen abgefragt und gesammelt, in Diskussionen erörtert oder in Übungen verwendet werden muss. Wo Vorwissen fehlt, sollte dieses durch erlebnisorientierte Übungen (beispielsweise durch eine Management-Simulation) erzeugt werden.

Handlungsempfehlung: Aktivieren Sie das Vorwissen der Teilnehmer durch Wissenstests bzw. durch Diskussionen. Oder lassen Sie die Teilnehmer eine Übung machen, in welcher der Nutzen der zu erwerbenden Kenntnisse und Fertigkeiten unmittelbar erlebbar wird!

3. Prinzip – Demonstration: Im zweiten Schritt des Trainings sollte konkret gezeigt werden, wie die neuen Kenntnisse und Fertigkeiten anzuwenden sind. Dabei sollte das Zielverhalten durch eine Modellperson (auf offener Bühne oder auf Film) demonstriert werden – sie macht vor, wie etwas umgesetzt oder angewendet werden soll. In vielen Trainings kommt gerade dieser Punkt zu kurz, insbesondere in Führungstrainings; häufig erhalten die Teilnehmer zahlreiche Handlungsempfehlungen („Schaffen Sie eine positive Gesprächsatmosphäre!“), ohne beobachten zu können, wie sich diese Empfehlungen in konkretes Verhalten übersetzen lassen.

Handlungsempfehlung: Erzählen Sie den Teilnehmern nicht nur wie es geht, sondern zeigen Sie es auch! Nutzen Sie insbesondere hier die Möglichkeiten, mit Videofilm zu arbeiten!

4. Prinzip – Anwendung: Im Training sollten anschließend Aufgaben (Übungen und Lerntests) gestellt werden, in denen die Anwendung des Gelernten eingeübt werden kann. Im Anschluss sollten die Teilnehmer ein instruktives Feedback und konkrete Verbesserungsempfehlungen erhalten. Idealerweise gibt es eine Folge leicht unterschiedlicher Aufgaben, in denen die neuen Kenntnisse und Fertigkeiten erprobt werden können.

Handlungsempfehlung: Sorgen Sie dafür, dass neue Kenntnisse und Fertigkeiten in einer Übungsaufgabe ausprobiert und gefestigt werden können!

5. Prinzip – Integration: Im Anschluss an das Training sollte das Gelernte in einer realen Transferaufgabe umgesetzt werden; die dabei erlebten Herausforderungen sollten systematisch reflektiert und mit Gleichgesinnten bzw. Interessierten diskutiert werden. Eine Möglichkeit, dies umzusetzen, besteht darin, Teilnehmern die Aufgabe zuzuweisen, das Gelernte an Kollegen weiterzugeben (sie also zu Paten und Multiplikatoren des Gelernten zu machen). Eine weitere Möglichkeit: In einer Follow-up-Veranstaltung berichten die Teilnehmer von ihren Erfahrungen in der Anwendung des Gelernten und nutzen einander als kollegiale Berater. Für die Umsetzung dieses fünften Prinzips bedarf es einer engen Zusammenarbeit des (externen) Trainers mit den Personalentwicklern vor Ort und den Vorgesetzten der Teilnehmer – gewissermaßen einer Transfer-Partnerschaft der beteiligten Interessengruppen. Dies ist der zweite Punkt, der in Trainings regelmäßig zu kurz kommt – die Verknüpfung des Trainings mit Herausforderungen des beruflichen Alltags bzw. seine Flankierung durch Maßnahmen des Trainingstransfermanagements sind fast immer unbefriedigend (Solga, 2015).

Handlungsempfehlung: Sorgen Sie dafür, dass es nach Abschluss des Trainings zu einer anwendungsorientierten Auseinandersetzung mit den Lerninhalten kommt – Anlass sollte eine Transferaufgabe sein (als Multiplikator wirken, Anwendungsschwierigkeiten reflektieren und diskutieren, sich wechselseitig beraten etc.).

Das Besondere an Merrills Metamodell ist nicht der Neuigkeitswert – keine der Handlungsempfehlungen könnte für sich in Anspruch nehmen, innovativ zu sein. Der Wert des Modells liegt vielmehr darin, die wirklich relevanten Erfolgsfaktoren in der Gestaltung von Trainings evidenz-basiert auf fünf prägnante Prinzipien zu reduzieren und damit für ein klares ‚Koordinatensystem‘ zu sorgen. Denn in der Fülle des stetig wachsenden Bücher- und Zeitschriftenmarkts für Trainer und Personalentwickler droht ein solches ja immer mal wieder verloren zu gehen. Wir nutzen Merrills Ansatz für die Planung und Entwicklung unserer eigenen Trainingsprogramme.

Dienstleistungen Obermann Consulting

  • Professionalisierung von HR-Spezialisten im Sinne des Performance-Improvement-Ansatzes
  • Train-the-Trainer-Ausbildung

Literatur

  • Merrill, M. D. (2002). First principles of instruction. Educational Technology Research and Development, 50 (3), 43-59.
  • Merrill, M. D. (2007). First principles of instruction: a synthesis. In R. A. Reiser & J. V. Dempsey (Eds.), Trends and issues in instructional design and technology (2nd ed.; pp. 62-71). Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall.
  • Merrill, M. D. (2013). First principles of instruction. Identifying and designing effective, efficient, and engaging instruction. San Francisco, CA: Pfeiffer.
  • Solga, M. (2015). Lerntransfer und Lerntransfermanagement. In Gourmelon (Hrsg.), Kompetenzen für die Zukunft – Personalentwicklung im Fokus (S. 135-144). Heidelberg: Rehm.
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