AC-Übungen fertig kaufen oder firmenspezifisch entwickeln?

Jobfremde Szenarien – Bonanza-Effekt

Dies ist immer wieder eine Diskussion: Soll das Übungsmaterial im AC die jeweiligen Zielpositionen genau simulieren oder sind nicht gerade abstrakte/generische Szenarien sinnvoll? Häufig wird behauptet: „Wer Führungskraft werden will, der muss sich sowieso in neue Situationen hineinversetzen können“. Dies ist richtig, aber ein zu Viel von dieser Forderung führt zum „Bonanza-Effekt“ im AC: Wer zuerst losläuft und draufspringt, hat gewonnen. Die Fähigkeit, sich in Minuten in ein neues Szenario einzudenken, dominiert alle übrigen Kompetenzen, die ja auch gemessen werden wollen. In empirischen Untersuchungen findet man dann den „G-Faktor“, d. h. alles im AC korreliert mit allem. Im Vorfeld wird oft mit Mühe ein Anforderungsprofil zusammengestellt, im AC verbleibt dann letztlich primär eine Leistung der Kandidaten, sich nämlich schnell zurechtzufinden. Der Züricher Psychologie Professor Kleinmann spricht sogar von einer eigenständigen Kompetenz erfolgreicher AC-Teilnehmer (ATIC = Ability to Identify Criteria).

Je mehr unterschiedliche Übungsszenarien und je weiter diese vom Ist-Job entfernt sind, umso mehr dürfte dieser Effekt zum Tragen kommen. Deshalb sind grundsätzlich Übungssets zu bevorzugen, bei denen die Teilnehmer sich nicht neben dem üblichen Stress noch in eine fremde Welt mit jeweils neuen Begriffen hineindenken müssen.

Psychologisch parallele Übungen

Die Forderung nach jobspezifischen Übungen lässt sich dann nicht realisieren, wenn im Gruppen-AC die Zielgruppe an sich schon heterogen ist. Ein Ausweg aus dem Dilemma ist, dass in den Übungen eine „Mischposition“ der Teilnehmerwirklichkeit abgebildet wird, das heißt z. B. ein Niederlassungsleiter, der Teilaufgaben aus verschiedenen Funktionen wie Vertrieb, Finanzen etc. zu bearbeiten hat.

In jedem Fall ist in den Übungen die „psychologische Parallelität“ zu beachten. Nehmen wir den Fall eines Consulting-Unternehmens. Wenn hier im AC ein Szenario gewählt wird, bei dem es um Abverkaufen, Druck und Einwandbehandlung bei einem fertigen Produkt geht, dann stimmt diese psychologische Parallelität nicht mehr. Es wird durch das Übungsszenario ein anderer Typus von Mitarbeiter hoch bewertet, als eigentlich gewollt ist.

Wissenschaftliche Diskussion

Von der Seite der Metaanalysen zur Validität/Gültigkeit im AC gibt es wenige Antworten, da die Frage der generischen oder spezifischen Übungen in den einschlägigen Untersuchungen nicht erhoben wurde. Ein starkes Indiz ergibt sich jedoch aus der nach wie vor klassischen Analyse von Schmidt & Hunter (1998). Dort wurde die Validität verschiedener Instrumente verglichen. Mit Abstand als Nummer Eins schneidet noch vor dem AC und Testverfahren die Arbeitsprobe ab. Damit ist zwar meistens eine Arbeitsprobe im manuell-technischen Bereich gemeint. Allerdings dürfte die Übertragung auf den Management-Bereich plausibel sein: Je näher die Testaufgabe am realen Job ist, umso höher ist die Vorhersagegüte.

Citibank: Bildung von Jobclustern

Einen interessanten Mittelweg geht die Citibank in ihren DC-Verfahren. Hier will man einmal mit dem Inhalt der Übungen nahe an den Zielgruppen dran sein, andererseits scheut man den Aufwand für verschiedenartige Verfahren. Die Lösung: Es gibt lediglich ein DC-Format für frisch zu ernennende Teamleiter. In ein und demselben DC erhalten die Teilnehmer jedoch je nach Background verschiedenartige Übungsinhalte. So gibt es einen Übungssatz für Teamleiter in den Filialen, einen weiteren für Teamleiter in den Call-Centern sowie spezielle Übungen für Stabstätigkeiten. Je nach dem unterschiedlichen Aufkommen von Bewerbern werden dann die Inhalte ausgetauscht, wobei der Typ der Übung (Mitarbeitergespräch, Fallstudie, etc.) gleich bleibt.

AC-Praxis in Deutschland

In der großen AC-Studie des Arbeitskreises AC e. V. geht der Trend in deutschsprachigen Verfahren klar in Richtung zielpositionsspezifischer Übungen (vgl. Abb. rechts). Wenn man die Daten weiter nach der jeweiligen Zielsetzung aufschlüsselt, so liegen bei DC und Potenzialanalysen die Angaben bei etwa 45%, wohingegen bei Auswahl-ACs fast 2/3 der Firmen ihre Übungen nach der Zielposition entwickeln. Natürlich ist kritisch zu hinterfragen, was die jeweils Befragten tatsächlich unter „zielpositionsspezifisch“ verstehen. Trotz des ökonomischen Drucks ist es für die interne Diskussion auch gut zu wissen, dass die klare Mehrheit von Firmen nicht auf Standardverfahren zurückgreift, sondern diese entweder anpasst oder vollständig entwickelt.

Ob fertig gekaufte Übungssets oder firmenspezifisch entwickelte: wir bieten seit Beginn diesen Jahres beide Varianten auch in vollständig virtueller AC-Durchführung an.

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