Gezielte Potenzialanalysen für unterschiedliche Karrierepfade
Benedikt Heß
Spezialisten, Experten, Projektleiter, Agile Coach, Scrum-Muster: Klassische Führungsstrukturen relativieren sich in vielen Unternehmen zugunsten neuer Karrierewege ohne explizite Führungsverantwortung.
Unser Kunde, ein großes Versicherungsunternehmen, hat sich im Rahmen der strategischen Personalplanung dazu entschieden, die individuelle Weiterentwicklung der Mitarbeitenden durch unterschiedliche Karrierepfade zu fördern. Die Herausforderung bestand darin, diesen Prozess eignungsdiagnostisch zu begleiten.
Laufbahnmodelle – individuelle Lösungen für die moderne Arbeitswelt
Bei unserem Kunden besteht für Mitarbeitende die Möglichkeit, eine Führungs-, Experten- oder Projektleiterlaufbahn einzuschlagen bzw. dafür nominiert zu werden. Diese drei Pfade des Laufbahnmodells werden sowohl im Unternehmen als auch in der Diagnostik als gleichwertig behandelt. Als Senior-Experte/in Level 2 oder Level 1 kann man beispielsweise im Unternehmen genauso aufsteigen wie in der klassischen Führungslaufbahn.
Die Differenzierung in unterschiedliche Pfade bietet unserem Kunden dabei einen Wettbewerbsvorteil, da Fachspezialist/innen für bestimmte Themen ausgebildet werden oder ein Pool an geeigneten Projektleiter/innen für kommende, komplexe Projekte erstellt wird.
Andererseits haben auch die Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, ohne dabei gezwungenermaßen eine disziplinarische Führungsposition zu übernehmen. Laufbahnmodelle bieten die Chance, für unterschiedliche Interessen eine entsprechende Alternative im Unternehmen zu bieten. Dies steigert einerseits die Attraktivität des Unternehmens auf einem hart umkämpften Expertenmarkt, und verhindert andererseits eindimensionale Karrieren im eigenen Ressort, sogenannte Kaminkarrieren. Doch wie bildet man diese unterschiedlichen Pfade eignungsdiagnostisch ab?
Gezielte Potenzialanalyse für jedes Laufbahnmodell
Das Laufbahnmodell mit unterschiedlichen Karrierepfaden ist bei unserem Kunden fest verankert. Als Basis dient das neue Kompetenzmodell, das Schwerpunktkompetenzen für die jeweiligen Pfade des Laufbahnmodells vorsieht. So liegt der Schwerpunkt im Führungspfad auf dem Befähigen von Anderen, während der Projektpfad eher auf das Steuern des Tagesgeschäfts fokussiert ist. Im Expertenpfad ist das Vorantreiben von Innovation und Wissen der wichtigste Kompetenzbereich. Diese unterschiedlichen Schwerpunkte werden durch pfadspezifische Potenzialchecks geprüft. Die Potenzialchecks bestehen aus halbtägigen Einzel-Assessments mit jeweils einem Teilnehmenden.
Spezielle Potenzialanalyse für die Experten- / Fachlaufbahn
Alle Teilnehmenden der Potenzialanalyse durchlaufen, unabhängig vom Pfad, zunächst ein Prä-Assessment, welches aus einer Online Fallstudie und dem Leadership Potential Assessment besteht. In diesem werden bereits im Vorhinein die kognitiven Kompetenzen sowie bestimmte relevante Potenzialfaktoren erfasst. Der Präsenzteil der Potenzialanalyse ist dann, je nach Laufbahn, mit gänzlich verschiedenen diagnostischen Bausteinen gefüllt (s. Abbildung 1).
In der Potenzialanalyse für die Expertenlaufbahn haben wir darauf geachtet, dass dies kein verkapptes Führungs-Assessment wird. Dem Unternehmen war es gerade wichtig, die Spezialisten z. B. in IT, Produktentwicklung oder Mathematik zu identifizieren und zu fördern. Hier ergab sich die Frage, was den normalen Anwendungsentwickler unterscheidet von der Person, die in dieser Fachlichkeit befördert werden sollte. Die Antwort war, dass diese Personen Innovationen zu ihrer Fachlichkeit in das Unternehmen bringen, Trends aufspüren und in ihrem Fachgebiet Themen treiben. Daher decken die diagnostischen Bausteine genau diese Aspekte ab: Können die potenziellen Expert/innen einen Investitionsvorschlag aus ihrem Fachgebiet gegenüber einem kritischen Gremium präsentieren und verteidigen? Welche Innovationen von außen wurden bisher und werden zukünftig noch in das Unternehmen gebracht? Dieser Potenzialcheck für Expert/innen hat mit 40% an den Potenzialanalysen intern mittlerweile zur höchsten Nachfrage geführt. Die Ergebnisse der Potenzialanalysen werden dann in individuelle Entwicklungspläne übersetzt und so die Entwicklung der Potenzialträger beschleunigt.
Abbildung 1. Diagnostischer Prozess des Potenzialchecks Quelle: eigene Darstellung
Kostenreduktion durch konsequente Digitalisierung
Der Vorstand hatte dem Projektteam noch eine weitere Vorgabe in das Lastenheft geschrieben: Reduktion der Kosten für die Potenzialanalysen. Auf Beraterseite gab es naturgemäß einen Zielkonflikt zwischen diesem Wunsch und dem Bestreben, die eigenen Honorare stabil zu halten. Dies wurde gelöst durch eine konsequente Digitalisierung: Der personalaufwändige Präsenzteil wurde reduziert und in das Online-basierte Prä-Assessment verlagert. So gibt es statt der ursprünglichen Präsenz-Fallstudie nunmehr eine Online-Fallstudie. Die nächste Maßnahme bestand darin, den Präsenzteil von physischer Präsenz auf remote zu verlagern. Dies soll auch nach Corona beibehalten werden. Ohne Qualitätseinbußen können so Reisezeiten und Reisekosten eingespart werden. Schließlich wurde die AC-Kollaborationssoftware von Brooklynmaxx eingesetzt – Abstimmungszeiten, Beobachterkonferenz, Berichtserstellung – alle Prozesselemente sind nunmehr zeitlich schneller und weniger personalaufwändig. Der Ergebnisbericht muss von den Consultants nicht mehr separat geschrieben werden, sondern ergibt sich automatisch aus dem System. So wurde die Digitalisierung intern vorangetrieben, Aufwände reduziert und der Prozess insgesamt verschlankt, also für alle Beteiligten einfacher und effizienter gestaltet.
Mit der Zielrichtung deutlich digitaler, […] anwenderfreundlicher und natürlich auch kostengünstiger zu werden, das ist uns mit dem neuen Potenzial-Check tatsächlich gut gelungen.
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