Remote Assessment Center vs. traditionelle Assessment Center

Durch die COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen konnte in den vergangenen zwei Jahren ein Großteil der Assessment Center (AC) nicht mehr, wie bis dato üblich, in Präsenz durchgeführt werden. Stattdessen wurde viel Kapazität in eine möglichst vergleichbare, virtuelle Umsetzung des Verfahrens gesteckt. Schnell erwies sich, dass alle gängigen AC-Methoden auch digital über Videokonferenztools (z.B. Teams, Zoom, Webex) durchführbar sind. Dennoch führt die Remote-Durchführung zu einigen bedeutsamen Veränderungen für Teilnehmer, Assessoren und Rollenspieler. Es kommt zu weniger Interaktion unter den Beteiligten und einer größeren sozialen Distanz zwischen Beobachtern und Teilnehmern. Kandidaten empfinden Angst vor Verbindungsproblemen und es kommt regelmäßig zu technischen Komplikationen. Außerdem entstehen Verhaltenseindrücke lediglich durch einen kleinen Bildschirmausschnitt.

Bisherige Forschung zur Beurteilung bei Remote-Verfahren

Die genannten Unterschiede ließen befürchten, dass Ergebnisse des Remote-ACs durch schwierigere Bedingungen für den Teilnehmer und kritischere Bewertungen der Assessoren nicht mehr vergleichbar mit denen des traditionellen ACs sein könnten. Bisherige Forschung hierzu stammten bislang nur aus präpandemischen Zeiten und untersuchte allein die virtuelle Umsetzung der Interview-Methode. Im Vergleich zu Präsenz-Interviews wurde sowohl eine niedrigere Inter-Rater-Reliabilität (d.h. geringere Übereinstimmung der Urteile zwischen den Beobachtern) (Van Iddekinge, Raymark, Roth & Payne, 2006) als auch eine systematisch schlechtere Bewertung der Kandidaten gefunden (Sears, Zhang, Wiesner, Hackett & Yuan, 2013). Nun stellte sich die Frage, ob sich der Effekt der strengeren Bewertung bei Remote-Verfahren auch bei einem AC mit mehreren Beobachtern und mehreren Übungen zeigen würde. 

Aktuelle Obermann Studie zum Vergleich von Präsenz- und Remote-AC

Hierzu führte Obermann Consulting eine Studie durch, in der die mittleren Ergebnisse einer Remote-AC Gruppe (n= 168) mit denen einer regulären AC-Gruppe (n= 198) verglichen wurden. Die Teilnehmer des Remote-ACs erzielten im Gesamturteil einen signifikant höheren Mittelwert über alle Übungen. Die Befürchtung einer systematisch schlechteren Bewertung in virtuellen AC- Verfahren konnte hier also nicht bestätigt werden – im Gegenzug zeigte sich sogar ein leicht gegenteiliger Effekt (d= 0.42) (Obermann, Serocka & Kriebel, 2020). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich sowohl Kandidaten als auch Assessoren im Kontext der Pandemie an diese Form der Kommunikation gewöhnt haben und nun über entsprechende Erfahrungen mit Videokonferenz-Tools verfügen. Parallel liegt sicherlich ebenso ein beachtlicher Fortschritt in der Digitalisierung der Assessment-Prozesse vor.

Entwicklung einer eigenen AC App

Gemeinsam mit seiner Tochterfirma Brooklynmaxx entwickelte Obermann Consulting hierzu die AC App, eine browserbasierte Anwendung, mit der die Beobachter über einen individuellen Zugang und von einem Moderator angeleitet durch das Verfahren geführt werden. Durch die App wird die Bewertung während den Übungen sowie die Konsolidierung und Auswertung im Nachgang erheblich erleichtert und die dynamische AC-Atmosphäre gesichert. So werden für die Beobachter Bedingungen geschaffen, die einem Präsenz-Verfahren möglichst nah kommen.

Neben der Vergleichbarkeit der Gesamtergebnisse der Teilnehmer von Remote- und traditionellen Präsenz-ACs bietet die Remote-Durchführung einige weitere Vorteile für die Beteiligten. Geringere Kosten (Reisekosten, Hotel/ Konferenzräume), Zeitersparnisse sowie neue und geographisch weiter gefasste Zielgruppen sprechen für die Durchführung in remote. Es ist also davon auszugehen, dass sich das Remote-AC auch nach pandemischen Zeiten in der Personalauswahl und -entwicklung zu einer mehr beachteten Option etablieren wird.

Verfahrensvergleich remote vs. traditionell

Literatur

Obermann, C., Serocka, I., & Kriebel, E. (2020). Digitalisierung im Assessment Center. In Stulle, K. P. (Hrsg.), Digitalisierung der Management-Diagnostik (S. 127-154). Springer Gabler, Wiesbaden.

Obermann, C. (2020). Remote Assessment Center vs. Traditionelle Assessment Center: Auswirkungen auf den Schwierigkeitsgrad und das Erlebnis der Teilnehmer/innen

Sears, G. J., Zhang, H., Wiesner, W. H., Hackett, R. D., & Yuan, Y. (2013). A comparative assessment of videoconference and face-to-face employment interviews. Management Decision, 51(8), 1733-1752

Van Vianen, A. E., Taris, R., Scholten, E., & Schinkel, S. (2004). Perceived fairness in personnel selection: Determinants and outcomes in different stages of the assessment procedure. International Journal of Selection and Assessment, 12(1‐2), 149-159

Höft, S.; Stumpf, S.; Warszta, T. (2021), „Eignungdiagnostik für die 2020er-Jahre: Überblick zu aktuellen Themenstellungen“, Wirtschaftsypsychologie, 23(4)

 

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