Remote Trainings und Assessments – Best Practice Sharing

Was geht – was ist anders?

Elisa Kriebel ist Consultant bei der IT-Tochter von Obermann Consulting, BrooklynMaxx, und hat sich auch schon vor Corona mit den digitalen Themen beschäftigt. Sie hat jetzt viele Erfahrungen in Online- und Remote Assessments.

Ansgar Sassen teilt als Managing Consultant seine Erfahrungen mit mittlerweile zahlreichen AC, DC und Management Audits in Remote.

Tobias Albrecht ist Führungskräftetrainer bei Obermann Consulting. Er teilt die Erfahrungen zu Online durchgeführten Führungskräfte- und Verhaltenstrainings.

Silke Bierhoff ist als Management Coach und Consultant bei Obermann Consulting sowohl in der Personaldiagnostik wie in Training und Coaching unterwegs. Seit dem Frühjahr 2020 hat sie fast alle Veranstaltungen remote umgestellt.

Können Assessments & Potenzialanalysen digital laufen wie gehabt?

Elisa Kriebel: Rein diagnostisch, vom Erkenntniswert ist eigentlich alles gleich. Ob Interviews oder Rollenübungen, da kann man als Beobachter genauso viel sehen wie in Präsenz.

Ansgar Sassen: Ich stimme zu, Vieles ist gleich, aber als Moderator muss ich dennoch einiges anpassen. Es braucht für alle Beteiligten vorher einen technischen Check, um Sicherheit zu erlangen. Bei normalen Videokonferenzen buche ich sozusagen ab vom Beziehungskonto der Vergangenheit. Wenn man sich online erstmals begegnet, dann geht das hier nicht mehr. Ich muss zu Beginn und während des Assessments mehr in Beziehungspflege und Struktur investieren.

Halten das denn die Beteiligten so lange am Bildschirm aus?

Silke Bierhoff: Dazu muss man schon etwas anpassen. Wir haben die Auswertungszeiten nach den Übungen etwas verlängert, um Puffer zu schaffen, wenn technisch etwas nicht läuft oder auch nur um ein Getränk zu holen und sich kurz zu bewegen. Letztlich kommt es stark auf die verschiedenartige digitale Vorerfahrung an. Bei einzelnen Teilnehmern ist es schon Routine geworden, den ganzen Tag in der Videokonferenz zu sitzen. Bei anderen Teilnehmern ist es relatives Neuland. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen, damit es keinen Überstrahleffekt auf die Ergebnisse durch die Anspannung gibt.

Andererseits – unter Corona-Bedingungen was wäre die Alternative zu den Videositzungen?  Ich hatte in diesen Monaten Development-Center in riesigen Besprechungsräumen mit großer Distanz und alle Personen versteckt hinter Masken. Das ist schon skurril und weniger attraktiv.

Blickkontakt, Sprache, Bewegung im Raum – geht nicht remote viel verloren?

Silke Bierhoff: Man beobachtet die Teilnehmer doch den ganzen Tag, da erfährt man genug. Im Gegenteil, meine Erfahrung ist in Bezug auf Mimik, da kommt remote sogar mehr herüber. Man sitzt den Personen remote ja viel stärker in Naheinstellung gegenüber, da man sieht viel mehr vom Gesicht.

Ansgar Sassen: Ich finde schon, es geht etwas verloren. Präsenz, Selbstbewusstsein und auch die Wahrnehmung der ganzen Gestalt mit ihrem Verhalten im Raum – das ist alles schwerer einzuschätzen. Aber das hat gleichzeitig Vorteile. Beim Interview kann man viel mehr auf den Inhalt hören und lässt sich viel weniger ablenken.

Gibt es bei AC-Teilnehmern nicht unnötigen Zusatzstress, der die Ergebnisse gefährdet?

Ansgar Sassen: Je nach technischer Affinität schon. Wir hatten jetzt sogar erstmals einen Teilnehmer bei einer Potenzialanalyse, der abbrechen musste. Er hatte bis dahin noch nie mit Powerpoint gearbeitet und praktisch auch noch nie mit einem Videotool. Aber das ist die absolute Ausnahme. Unsere Lösung ist, dass wir vor den Potenzialanalysen Technik-Checks und Proberunden anbieten. Im Zweifel solange bis es sich für die Teilnehmer gut anfühlt. Auf der anderen Seite ist die remote und digitale Welt nun mal überall die Realität, die auch im AC abgebildet wird.

Wir haben jetzt bei einem Kunden aus dem öffentlichen Dienst die Teilnehmer von remote Assessments systematisch nachbefragt. Hier gab es oft ein für mich neues Argument: Die Potenzialanalyse läuft ja von zu Hause, man ist auf heimischem Terrain. Bisher lief das in einem fremden Hotel oder einem großen Schulungsgebäude. Von zu Hause aus die Potenzialanalyse durchführen, das schafft wohl mehr psychologische Sicherheit.

Es gibt viele Anbieter von Videokonferenztools, mir fallen ein die Anbieter Teams, Skype, Zoom, Circuit, Webex, GotoMeeting. Welche Erfahrungen könnt Ihr dazu teilen?

Ansgar Sassen: Zoom ist für mich am stabilsten. Hier gibt es immer noch das Schreckgespenst des Zoombombings. Das ist technisch schon seit Frühjahr 2020 behoben. Webex und Skype finde ich von der Stabilität nicht so überzeugend.

Elisa Kriebel: Für mich ist das am Ende Geschmackssache. Harte Kriterien für Basisfunktionen sind: Kann ich Teilnehmer in einen Warteraum platzieren, damit sie nicht hereinplatzen? Kann ich den Bildschirm anheften / groß machen? Kann ich als Referent Teilnehmer stummschalten? Bildschirmteilen mit Inhalten können alle Tools.

Tobias Albrecht: Für Trainings präferiere ich auch Zoom. Hier ist auch der Vorteil mit sogenannten Break Out Sessions, da kann man virtuelle Räume für Kleingruppen einrichten, das ist sehr praktisch.

Und was sind Ihre Erfahrungen – wirkt sich Online auf die Beobachtungen aus?

Ansgar Sassen: Gerade zu Beginn der Pandemie hatten wir eine erkennbare Zurückhaltung bei Beobachtern, etwas kritischere Rückmeldungen zu geben, bis hin zu der – vereinzelten – Forderung, dass erstmal niemand durchfallen darf. Wenn der einzelne Beobachter zwei oder drei Verfahren durchgeführt hat, dann legt sich das wieder. Ich erwarte von der psychologischen Forschung her, dass sich eher ein umgekehrter Effekt einstellt. Wenn es speziell bei externen Bewerbern keine Beziehungshistorie gibt, sinkt die Hemmung, aus der Distanz kritische Bewertungen zu geben. Das muss ein Moderator steuern und die Kalibrierung sicherstellen.

Was sind die häufigsten Fehler, wenn Personalabteilungen ein analoges AC in die digitale Welt übertragen?

Silke Bierhoff: Die Klassiker sind: Zu wenig Zeit für Begrüßung und Beziehungsbildung, keine Puffer eingebaut oder einzelne Rollenanweisungen oder Verhaltensanker sind nicht umsetzbar, z. B. „spielt am Handy“.

Elisa Kriebel: Ich ergänze – es braucht ein paar Spielregeln – wenn einer mit dem Bild rausfliegt, ist es dann z. B. erlaubt nur über Ton weitermachen. Oder gibt es ein explizites Verbot, dass Beobachter parallel ihre Mails bearbeiten.

Ansgar Sassen: Wir müssen auch Selbstausbeutung verhindern – es muss auch Zeit bleiben für Dehnen und Kaffeepausen. Und auch Arbeitsergonomie ist ein Thema.

Gibt es Vorteile und Chancen in der Online Durchführung?

Ansgar Sassen: Zunächst sehe ich nach Corona viele Chancen, überhaupt mehr Assessments einzusetzen und die Qualität im Recruiting und der Personalentwicklung zu heben. Bisher war oft ein Hinderungsgrund der Aufwand in Reisekosten und der Koordinierung von Beobachtern. Jetzt ist es über die Videotools plötzlich viel einfacher und selbstverständlicher, Online Assessments zu organisieren. Wir sind noch nicht ganz so weit, aber in China ist es jetzt schon normal, von der Erstanbahnung über Interview, Assessment und Vertragsschließung alles remote zu machten, ohne dass sich Arbeitgeber und Bewerber überhaupt je physisch begegnet sind

Silke Bierhoff: Ich stelle auch fest, dass ich einiges gewinne. Es gibt eine viel größere Bereitschaft von Führungskräften an Feedbackgesprächen oder Meetings zu Entwicklungsplänen teilzunehmen. Die müssen nicht mehr für ein 1- oder 2 stündiges Gespräch von Hamburg nach München fahren, sondern können das jetzt ohne Reiseaufwand einschieben.

Was ändert sich speziell bei Führungs- und Verhaltenstrainings?

Tobias Albrecht: Die Inhalte sicher nicht. Aber von der Trainingsmethodik haben wir doch einiges umstellen müssen. Man braucht viel mehr Methodenwechsel. Die Folienvorträge gingen vorher schon nicht, jetzt gar nicht mehr. Es braucht Videos, mehr Learning Nuggets oder wir nutzen auch die Tools der Videoanbieter wie kleine Umfragen. Es braucht mehr Planung, um Inspiration und spannende Lernerlebnisse zu organisieren.

Silke Bierhoff: Das Training lebt doch vom Gruppengefühl und davon, spannenden Austausch zu organisieren und mit der Peer-Group zu arbeiten. Ich investiere zu Beginn mehr in kreative Vorstellungen passend zum Thema, um später den Teilnehmern Anknüpfungspunkte für dieses Gefühl zu bieten.

Muss man als Trainer remote anders auf die Menschen zugehen?

Tobias Albrecht: Auf jeden Fall, je nach Videotool ist die Anonymität zunächst höher und ich kann mich als Teilnehmer verstecken. Man weiß auch oft nicht genau, sind die Teilnehmer bei der Sache oder gucken die im Extrem auf einem anderem Kanal Netflix.

Meine Erfahrung in diesen Monaten ist jetzt: Als Trainer muss ich gezielt Menschen in der Diskussion ansprechen. Ich muss mir auch gut merken, was jemand gesagt hat und darauf zurückkommen. Ich kann natürlich keinen Foliensatz einfach durchklicken. Ich muss für viel mehr Struktur sorgen, immer die Gesamtübersicht zeigen. Eine gute Erfahrung ist mehr mit Kleingruppen zu arbeiten, um dort Bereitschaft zu Diskussion und Austausch zu fördern. Am Ende nichts Neues, was ein vernünftiger Führungstrainer nicht bisher auch schon gemacht hätte. Die Anforderung ist jedoch viel genauer, ein packendes Erlebnis zu organisieren.

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Elena Klöser, Business Development, elena.kloeser@obermann-consulting.de

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